Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 09.2006
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Forschungszentrum Karlsruhe

Tag der Offenen Tür

...Nanotechnik, kosmische Strahlung. nächste Internetgeneration ...

Vor 50 Jahren unterzeichnete der Bundesminister für Atomfragen, Franz Josef Strauss, in Karlsruhe die Gründungsurkunde für die „Kernreaktor Bau- und Betriebsgesellschaft“. Im (Kern-) Forschungszentrum nördlich von Karlsruhe bauten Experten den ersten deutschen Forschungsreaktor und entwickelten Prototypen. Auch die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstäben trägt die Handschrift der Wissenschaftler und Ingenieure, die im Forschungszentrum arbeiteten. Ein Umschwenken der Politik erforderten Ende der 80er Jahre eine neue Ausrichtung. Heute, nach 50 Jahren, hat sich das Forschungszentrum neu orientiert. Es sieht sich in einer „exzellenten Position“, die das Zentrum mit der Universität Karlsruhe und dem KIT „Karlsruhe Institut für Technologie“ in Dimensionen wie das MIT, Massachusetts Institute of Technology, vorrücken lasse. Klappe auf sprach mit dem Physiker und Pressesprecher Dr. Joachim Hoffmann über das Selbstverständnis und die Zukunft des Forschungszentrums.

Wer genau hinsehen möchte, was die rund 3700 Mitarbeiter, davon rund 1400 Wissenschaftler, im Hardtwald tun, hat dazu am Tag der offenen Tür Gelegenheit. Am 23. September können Interessierte von 12 bis 20 Uhr einen Blick in die Forschungslandschaft werfen und Bekanntschaft mit Nanopartikeln, der nächsten Generation des Internet oder kosmischer Strahlung schließen. Außerdem ist das die letzte Gelegenheit, die Verglasungseinrichtung Karlsruhe zu besichtigen.

´: Was hat sich denn in den letzten 50 Jahren verändert´

Hoffmann:. Das Forschungszentrum wurde gegründet, um den ersten deutschen Forschungsreaktor, den FR-2, zu entwickeln, zu bauen und zu betreiben. Bis Mitte der 80er Jahre haben wir im Forschungszentrum mit mehr als 75 Prozent unseres Programms Kerntechnik gemacht. Als 1989 der Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung kam und klar war, der schnelle Brüter wird nicht gebaut, verlief die Umstellung natürlich nicht ohne Reibungsverlust, aber insgesamt hat sie doch gut geklappt. Mitte der 90er Jahre machte Kerntechnik nur noch 25 Prozent aus. Der Wandel zum multidisziplinären natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschungszentrum war vollzogen. Inzwischen sind wir mit unseren neuen Themen mindestens so erfolgreich wie früher. Das hat uns kürzlich eine internationale Gutachter-Kommission bestätigt.

´: Wieviel Platz nimmt die Kerntechnik noch ein´

Hoffmann. Heute hat die Kerntechnik noch einen Anteil von rund 16%, den wir wegen des Kompetenzerhalts auf diesem Gebiet beibehalten wollen. Dazu gehört die Sicherheitsforschung für Reaktoren und die Endlagerung radioaktiver Abfälle.

´: Was arbeiten Sie noch auf dem Gebiet der Energieforschung´

Hoffmann: Energieforschung ist mit einem Anteil von 50 Prozent – einschließlich der Atmosphärenforschung – ein wesentlicher Bestandteil unserer heutigen und künftigen Arbeit. Ein wichtiges Thema dabei ist die Kernfusion - das ist die Energiequelle der Zukunft. Es geht darum, wie in der Sonne, Wasserstoff zu Helium zu verschmelzen. Das funktioniert nur bei sehr hohen Temperaturen, etwa 100 Millionen Grad Celsius und stellt ernorme Anforderungen an die Technologie. Wir beschäftigen uns aber auch mit der Optimierung von Verbrennungsprozessen oder der Gewinnung von Treibstoffen aus Biomasse.

´: Schlüsseltechnologien wie die Nanotechnologie tauchen auch immer im Zusammenhang mit dem Forschungszentrum und der Universität auf...

Hoffmann: Die Nanotechnologie beschäftigt sich mit sehr kleinen Strukturen im Bereich von einem millionstel Millimeter. Das Forschungszentrum hat das weltweit erste Institut für Nanotechnologie gegründet. Dabei waren wir von Anfang an eng mit der Universität verzahnt. Heute haben alle unsere über 30 Institutsleiter eine Professur an einer Universität und Hochschule, nicht nur in Karlsruhe, auch in Heidelberg, Stuttgart und anderen.

´: Wenn die Verbindungen zur Fridericiana seit 50 Jahren bestehen, dann haben Sie sich ziemlich viel Zeit genommen, um sich mit KIT auch institutionell aneinander zu binden. Hat da die Exzellenz-Initiative des Bundes und der Länder nachgeholfen´

Hoffmann: Das hat sicher eine Rolle gespielt. Es ist dadurch schneller gegangen. Aber auch ohne diese Initiative hätten die Universität und das Forschungszentrum das KIT, das „Karlsruhe Institut für Technologie“ gegründet. Sie dürfen nicht vergessen, KIT ist beispiellos in Deutschland und hat Modellcharakter. Wir erreichen eine Masse und Größenordnung, die uns an das MIT, das Massachusetts Institute of Technology oder an das California Institute of Technology heranführt. Mit KIT werden wir in dieser Liga konkurrenzfähig.

´: Zurück zum Forschungsprogramm: Anwendungsbezogen ist die Mikrosystemtechnik. Wofür ist die gut´

Hoffmann: Sie gehört mit der Nanotechnologie zu den Schlüsseltechnologien, die einen Anteil von einem Drittel an unserem Gesamtprogramm bildet. Mikrosystemtechnik ist die klassische Technik zum Aufbau kleiner Strukturen und ihre Integration in funktionierende Einheiten. Ein erfolgreiches Projekt aus dem Forschungszentrum ist ein Mikrospektrometer zur Analyse von Farben. Anwendung findet es unter anderem bei der Analyse von Blutfaktoren. Wenn Neugeborene an Gelbsucht erkrankten, musste regelmäßig durch Blutproben der Bilirubin-Wert kontrolliert werden. Das bedeutete Stress für die Kinder, Eltern, Schwestern und Laboranalysen. Heute halten sie ein Gerät an die Stirn der Säuglinge und das war’s, ohne Pieksen.

´: Sehr handgreiflich. Im Programm für das Jubiläumsjahr werben sie mit einem spannenden Beispiel aus der argentinischen Pampa. Es kommt aus der Grundlagenforschung, der Astrophysik.

Hoffmann: Das ist wirklich faszinierend. Es geht um hoch energetische Teilchen, die von außerhalb der Erde kommen. Eigentlich dürften die gar nicht hier bei uns ankommen, weil sie im Weltall abgebremst werden. Sie kommen trotzdem an. Das Allerspannendste ist, mit welch hohen Energien sie ankommen. Kein Mensch weiß, wie sie diese Energien erreichen, die 100000 Mal höher liegen, als wir sie auf der Erde erzeugen können. Diese höchstenergetische kosmische Strahlung wollen wir messen.

´: Und wie machen Sie das´ Fangen Sie die Teilchen ein´

Hoffmann: Wir haben auf unserem Gelände die Messeinrichtung KASCADE. Sie ist 200 mal 200 Meter groß, kleine Hütten mit Instrumenten. Es gibt in der kosmischen Strahlung Teilchen mittlerer Energien, die wir hier erforschen. Pro Quadratmeter trifft jeden Tag ein Teilchen die Erde. Aber von den ganz hoch energetischen gibt es nur ein Teilchen auf einem Quadratkilometer in einem Jahrhundert. Dafür brauchen wir ein größeres Messfeld. In Argentinien bauen wir mit einer internationalen Gruppe das 3000 km2 große Pierre Auger Observatorium. Die hoch energetischen Teilchen, die wir untersuchen möchten, erzeugen eine Leuchtspur, die der Helligkeit einer 50 Wattbirne entspricht, die in dreißig Kilometer Entfernung mit Lichtgeschwindigkeit vorbeifliegt. Wir bauen die Teleskope mit denen diese Leuchtspur in der Atmosphäre zu sehen ist.

Interview: lütt

Tag der offenen Tür mit Party. Ein Fest der Wissenschaft für die ganze Familie am Sa 23. Sept. von 12 bis 20 Uhr, anschließend bis 22 Uhr Science-Party; am Tag der offenen Tür bleibt das Forschungszentrum autofrei. Pkw-Parkplätze in der Nähe werden ausgewiesen, von dort entweder zu Fuß in zehn Minuten oder mit Shuttlebussen zum Forschungszentrum. Mit der Straßenbahn Anfahrt mit S1/S11 bis Leopoldshafen, Frankfurter Straße, dort umsteigen in den Sonderzug oder S2 bis Blankenloch Endhaltestelle, umsteigen in die Buslinie 195 zum Forschungszentrum.


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