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Archiv: 12.2015
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Schickt 007 in Rente!

Bild - Schickt 007 in Rente!
Als „Topolino“ stellt sich der Geheimagent seiner Majestät in einer Szene des neuen James Bond-Films einem Türsteher vor, um sich Zugang zu verschaffen zu einer natürlich streng geheimen Sitzung der Weltverschwörungsorganisation „Spectrein Rom. Topolino“ (Mäuschen) ist die italienische Bezeichnung für Micky Maus. Ich weiß, das ist irgendwie komisch und selbstironisch gemeint, aber es steckt eben eine auch eine tiefere Wahrheit dahinter. James Bond ist mit „Spectre“ endgültig zur bloßen Comicfigur verkommen und zu einer ziemlich langweiligen noch dazu. Dass die James Bond-Filme sich nicht gerade durch Realitätsnähe und naturalistische Darstellung auszeichnen, muß man mir, der ich sie alle gesehen habe, nicht weiter erklären. Aber ein ständiges Aushebeln des Realitätsprinzips, eine totale Vernachlässigung der Gesetze der Physik, der Logik und der Wahrscheinlichkeit führt eben auch zu völliger Beliebigkeit. Wenn eh alles egal ist, kann man den Film auch rückwärts abspulen oder zwischendurch auch mal ein Nickerchen machen. Keine Sorge, man hat nichts verpasst, außer einer weiteren Ballerei, in der James Bond mal wieder nicht getroffen wurde, eine Verfolgungsjagd im rustikalen, Trümmerwüsten hinterlassenden Stil der Autobahnpolizei Cobra 11 oder eine Prügelei, in der er, auch mal wieder ordentlich einstecken mußte, ja fast schon am Rand am Niederlage war, um danach doch wieder als Sieger das Feld zu verlassen - und das wundersamerweise im nahezu unversehrtem Zustand. Einen normalen Sterblichen hätten die Schläge des Bösewichts einen vierwöchigen Krankenhausaufenthalt mit anschließender dreimonatiger Reha eingebracht. James Bond ist halt kein Normalbürger, aber er ist immer noch, verkörpert von einem Schauspieler, ein Mensch aus Fleisch und Blut mit Gefühlen und Schwächen. Würde man das nicht annehmen oder empfinden, könnte man auch nicht, wenigstens phasenweise, mitfiebern, wenn er wiedermal in eine brenzlige, schier ausweglose Situation geraten ist, hätten seine erotischen Abenteuer, die freilich überwiegend im Off stattfinden, die Qualität von mechanischer Triebabfuhr. Das ist eigentlich nichts Neues, in dem, bei aller zur Schau getragenen Weltläufigkeit, doch sehr überschaubaren 007-Mikrokosmos. Aber die Macher des neuen James Bond-Films wollten diesmal in Abwandlung des olympischen Mottos „Höher, schneller, weiter“ noch einen draufsetzen und lieferten ein Superspektakel mit einem Super-Super-Bösewicht ab. Das überfordert selbst einen Christoph Waltz, diesem monströsen Möchtegern-Weltbeherrscher, der die Inkarnation aller Bond-Opponenten sein soll, auch nur einigermaßen glaubhaft Gestalt zu verleihen. Im Zuge dieser sündhaft teuren Leistungsschau wird James Bond endgültig in das Paralleluniversum der unkaputtbaren Comicfiguren katapultiert. „Micky Maus“ trifft es allerdings nicht ganz, mich erinnert das Katz- und Maus-Spiel zwischen Bond und Blofeld weit eher an Tom und Jerry, deren Interaktion bekanntlich innerhalb weniger Minuten immer abstrusere, surreale Züge annimmt und doch stets gleich ausgeht. Zwei Beispiele von vielen: Zu Fuß kommt Bond in die abgelegene Bergklinik, in der die Tochter von Mr.White (Lea Seydoux) Dienst tut. Als sie kurz darauf aus eben dieser Klinik gekidnappt wird, begibt er sich stante pede mit einem Kleinflugzeug auf Verfolgungsjagd. Wo hat er das her? Wie ist er dazu gekommen? Hatte er das im Rucksack bei sich? Es bleibt wie vieles im Dunkeln in diesem Spektakel, das im Bestreben Höhepunkt an Höhepunkt zu reihen, sich um die logische Verknüpfung der einzelnen Handlungsstränge nicht weiter kümmert. Was wiedermal beweist, dass man für viel Geld vieles kaufen kann, aber ganz bestimmt kein gutes Drehbuch. Beispiel zwei: Bond hat sich in einer geradezu lächerlichen Befreiungsaktion mit einer explodierenden Uhr aus der Folterapparatur seines Widersachers befreit, der wie alle Bondschurken vor ihm mal wieder zu lange gequasselt hat, das Zentrum des Bösen in die Luft gesprengt und ist schnurstracks zum Rapport nach London geeilt. Doch wer begegnet ihm da zum definitiven Showdown? Man glaubt es nicht, es ist der zweifach in die Luft gesprengte Blofeld, der auch noch Zeit und Muße hatte, die altgediente britischen Geheimdienstzentrale schön herzurichten und zu verminen für das Schlußfeuerwerk. Dafür wie für den ganzen Film gibt es im Deutschen ein treffendes Wort: Blondsinn, äh, Blödsinn.

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