Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 12.2012
weitere Themen

 

Direktorin Müller-Tamm

Kunsthalle und Ausstellung Camille Corot

Seit 2009 ist die gebürtige Ludwigshafenerin Pia Müller-Tamm Direktorin der Staatlichen Kunsthalle. Mit der ersten umfassenden Schau des französischen Landschaftsmalers Camille Corot in Deutschland verantwortet sie ihre erste Große Landesausstellung in Karlsruhe. Für die Klappe Auf unterhielt sich Johannes Frisch zur Corot-Halbzeit mit der Kunsthistorikerin.

Entspricht die Resonanz auf die Corot-Ausstellung zur Halbzeit Ihren Erwartungen?


Pia Müller-Tamm: Wir sind sehr erfreut, dass schon zu Beginn der Ausstellung so viele Besucher kommen. Es ist deutlich erkennbar, dass wir mit Corot die Menschen erreichen. Das wird sich zum Ende hin sicherlich noch steigern, zumal in der Weihnachtszeit. Wir haben die Ausstellung daher um zwei Wochen bis zum 20. Januar 2013 verlängert.


Mit Ihrer Schau wird Corot in Deutschland so umfassend zum ersten Mal gezeigt, wie ist die Resonanz in der Fachwelt?


Müller-Tamm: Die Kolleginnen und Kollegen in den Museen wie auch die großen Feuilletons reagieren sehr positiv auf diese Ausstellung, die ja einen in der Kunstgeschichte etablierten Künstler zeigt, der aber in Deutschland noch nie mit einer großen Einzelschau gewürdigt wurde. Es ist ein großes Glück, dass wir die Chance hatten, Corot erstmals in solcher Breite zeigen zu können. Das gilt übrigens auch für den Katalog, der eine Premiere auf dem deutschen Buchmarkt darstellt.


Wie groß ist das Einzugsgebiet, das diese Ausstellung anspricht, und welchen Anteil haben Besucherinnen und Besucher aus Frankreich?


Müller-Tamm: Wir haben gerade eine Besucherumfrage durchgeführt, die allerdings noch nicht ausgewertet wurde. Aber es ist traditionell so, dass wir bei Ausstellungen mit Frankreich-bezogenen Themen auch einen starken Anteil an Besuchern aus unserem Nachbarland haben. Wir beschäftigen eine eigene Pressefrau in Straßburg, die jenseits des Rheins über unsere Programme informiert, und wir haben unser Vermittlungsangebot zu Ausstellung konsequent zweisprachig gestaltet. Bei Corot kommen aber auch viele internationale Besucher, etwa aus den Vereinigten Staaten oder Großbritannien, die die Chance nutzen, in Karlsruhe eine solch große Manifestation für Corot zu betrachten.


Es ist relativ einfach, mit spektakulären Sonderausstellungen ein Publikum anzulocken. Wie erreichen Sie aber für Ihre hochkarätige Sammlung das Publikum, und wie zufrieden sind Sie in dieser Hinsicht mit den Besucherzahlen?


Müller-Tamm: Die Sammlung der Kunsthalle hat eine solche künstlerische Breite und historische Tiefe, dass wir immer wieder hochinteressante Ausstellungen aus den Beständen der Sammlung heraus entwickeln können. So waren die Ausstellungen „Viaggio in Italia“ 2010 und „Unsere Moderne“ 2011 ganz aus eigenen Bildern zusammengestellt, auch die für 2013 geplante Präsentation „Unter vier Augen“, die sich dem Porträt widmet, verdankt sich allein dem eigenen Bestand. Bei anderen Ausstellungen wie bei „Camille Corot“ sind die Bilder der eigenen Sammlung Impulsgeber, um die herum sich eine Ausstellung formt. Darüber hinaus gibt es auch Projekte mit Künstlerinnen wie Pia Fries 2011 oder Leiko Ikemura 2013, die noch nicht in der Sammlung vertreten sind: solche Ausstellungen gewinnen Nachhaltigkeit, indem wir von diesen Künstlerinnen Werke für unsere Sammlung erwerben.


Haben Sie Erkenntnisse darüber, welche Alters- und Bildungsschichten die Kunsthalle besuchen? Was tun Sie, um ihr Publikum zu verbreitern?


Müller-Tamm: Die großen Besuchergruppen, die zu uns kommen, sind zum einen Kinder und Jugendliche mit ihren Schulklassen, zum anderen ältere Menschen, die zum überwiegenden Teil weiblich sind. Wir bemühen uns aber auf vielen Ebenen, das Publikum zu verbreitern und neue Zielgruppen für das Museum zu gewinnen. Das tut man natürlich am Besten mit einem überzeugenden Programmangebot und mit Ausstellungen wie „Camille Corot“. Aber auch mit neuen Formen der Besucheransprache versuchen wir, jüngere Menschen für das Museum zu gewinnen. Die „Jungen Freunde“ entwickeln sich derzeit als jüngere Formation unseres Freundeskreises, der im übrigen in diesem Monat 50 Jahre alt wird und gerade im Moment viele neue Mitglieder gewinnt. Wir kooperieren mit verschiedenen Hochschulen, so bei unserer letzten Ausstellung „Déjà-vu?“ mit der Hochschule für Gestaltung und bei „Camille Corot“ mit der hiesigen Musikhochschule. Im Rahmenprogramm der Ausstellung bieten wir gemeinsam mit der Hochschule eine Konzertreihe an, bei der auch die Musikfreunde aus dem Umfeld der Hochschule zu uns kommen – eine wunderbare Chance, die Öffentlichkeit unseres Hauses zu vergrößern. Wir sind aber auch sehr daran interessiert, Menschen mit anderen kulturellen Prägungen für die Kunsthalle zu gewinnen. Es ist eine große Zukunftsaufgabe des Museums, sich für jene Bürger zu öffnen, für die unsere Kunst ein hohes Maß an Fremdheit besitzt.


Der große Schatz der Kunsthalle liegt in ihrer international bedeutenden Sammlung Alter Kunst. Welche Rolle spielt die zeitgenössische Kunst für Ihre Arbeit?


Müller-Tamm: Die Kunsthalle hat seit ihrer Gründung im Jahr 1837 die Aufgabe „neue und allerneueste Kunst“ zu sammeln und zu bewahren, so die Formulierung des Museumsgründers Leopold von Baden. Dem fühlt sich das Haus seit jeher verpflichtet, auch wenn die Kunsthalle zumeist einen gewissen musealen Abstand zur jüngeren Kunst gewahrt hat. Aber mit einer Ausstellung wie „Lumière Noire“ haben wir jedoch auch gezeigt, dass avancierte zeitgenössische Kunst bei uns durchaus auch ihren Ort hat. Es ist mir aber auch wichtig, dass wir übergreifend denken und neue Formen entwickeln, wie wir Alte Kunst von der heutigen Wahrnehmungserfahrung her erschließen. So war die Arbeit von Miroslaw Balka, der inmitten unserer Sammlung Alter Meister einen imposanten Gitterkorridor baute, eine Intervention, die die mittelalterliche Kunst ganz neu sehen ließ und die Frage reflektierte, was museales Sehen überhaupt bedeutet.


Gibt es ein langgehegtes Wunschprojekt, das Sie an der Kunsthalle verwirklichen möchten?


Müller-Tamm: In der Geschichte vor der Gründung der Kunsthalle als Museum gab es mit Markgräfin Karoline Luise von Baden eine sehr faszinierende Persönlichkeit, eine aufgeklärte Mäzenin, die Karlsruhe in einen europäischen Musenhof verwandeln wollte, eine bedeutende Sammlerin, deren Malerei-Kabinett zum Grundstock der Kunsthalle wurde. Karoline Luise dachte europäisch und verfügte über ein weitverzweigtes Kommunikationsnetz. Kunst galt ihr nicht als Demonstration von Macht, sondern diente der Geschmacksbildung. Dieser außergewöhnlichen Frau widmen wir 2015 die nächste Große Landesausstellung unter dem Arbeitstitel „Aufgeklärter Kunstdiskurs und höfische Sammelpraxis - Karoline Luise von Baden im europäischen Kontext“.









Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Hans-Thoma-Straße 2 bis 6

76133 Karlsruhe

0721 / 9263359

| Infos