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Archiv: 03.2012
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Ziemlich beste Freunde

Bild - Ziemlich beste Freunde
Die französische Komödie „Ziemlich beste Freunde“ ist schon jetzt der Hit des deutschen Kinojahres, der schwer zu toppen sein wird. Vor Wochen wurde gemeldet, dass die Be-sucherzahl die sechs Millionen-Marke überschritten und auch bereits der Erfolg des kas-senträchtigsten Film des letzten Jahres, „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes II“ übertroffen wurde. Wer weiß, wenn sie dies lesen, ist auch die Sieben-Millionen-Marge erreicht. So verschieden, wie oft getan wird, scheinen die Geschmäcker und auch der Humor dies- und jenseits des Rheins dann doch nicht zu sein. Aber der grenzüberschre-itende Erfolg liegt wohl nicht nur an den unabweisbaren Qualitäten des Drehbuchs, der Inszenierung, der Schauspieler, des Soundtracks, er hat etwas mit der universalen Botschaft zu tun, die der Film zwar eigentlich offensichtlich und dabei doch subkutan verabreicht. So ist es auch mir erst Wochen nach dem zweiten Kinobesuch eingefallen, dass man hier nicht weniger zu sehen bekommt als den Vorschein einer besseren Welt. Für alle, die den Film tatsächlich (noch) nicht gesehen haben, hier eine kurze Inhaltsan-gabe: Philippe, ein schwerreicher Adeliger, der nach einem Unfall vom Kopf ab quer-schnittsgelähmt ist, engagiert ausgerechnet den farbigen, arbeitsscheuen Kleinkriminel-len Driss als Betreuer. Die beiden werden ein unschlagbares Gespann. Philippe traut sich dank Driss wieder, seinen goldenen Käfig zu verlassen, Driss lernt Verantwortung für andere und für sich zu übernehmen. Er vermittelt dem Kopfmenschen Philippe einen ganz direkten pragmatischen Zugang zu den Dingen des Lebens, Driss wiederum be-kommt so einiges an Kultur und Etikette mit, was ihm später im Leben und Beruf weiterhilft. Eine Win-Win-Situation, wie man heutzutage zu sagen pflegt, nimmt man den Zuschauer als Dritten im Bunde noch dazu, sogar eine Win-Win-Win-Situation. Dass ein Schwerstbehinderter einen anderen Menschen braucht, der seine körperliche Defizite ausgleicht, der ihn trägt, weil ihn seine Beine nicht mehr tragen, der ihm zur Hand geht, weil er keinen Finger mehr bewegen kann, liegt in der Natur der Sache. Das Besondere an dieser Konstellation ist, dass sich in diesem Film zwei finden, von denen der eine körperlich, der andere gesellschaftlich behindert ist. Hier kommt zusammen, was normalerweise nicht zusammengehört: Oberschicht und Unterschicht in der ex-tremsten Ausprägung, reicher französischer Adel und Vorstadt-Subproletariat mit Mi-grationshintergrund, nicht umsonst heißt der Film im Original „Intouchables“(Die Un-berührbaren). Da Driss seine schwarzafrikanische Herkunft nicht verbergen kann, ist dieser Gegensatz immer präsent, aber er ist nicht störend, sondern reizvoll und be-fruchtend. Das ist gelebte gesellschaftliche Solidarität mit multikultureller Note und generationenübergreifend (wie auch der Publikumszuspruch) ist sie obendrein, denn, das sollte man nicht vergessen, Philipp ist etwa dreißig Jahre älter als Driss und übernimmt in mancher Hinsicht die Rolle des abwesenden Vaters ohne jede väterliche Attitüde. Das ist das Schöne an diesem Film, dass er nichts wortreich ausstellt, sondern alles en passant zeigt. Lachend empfängt man die frohe, menschenverbindende Botschaft von Gleichheit und Brüderlichkeit, man könnte auch sagen von Integration, die kein Nebeneinander, sondern ein produktives Miteinander ist, das rührt ans Zwerchfell und ans Herz, ohne dass man das Hirn ausschalten muss, und letztlich an un-ser besseres Selbst. Hier fliegen beim Zusammenprall der Kulturen nicht die Fetzen, sondern die Funken, man könnte fast sagen, Schillers schöne Götterfunken. Ja, ja „Bet-tler werden Fürstenbrüder, wo dein sanfter Flügel weilt.“ Die klassische Musik von Bee-thoven, Mozart, Vivaldi und der groovende Soul von Earth Wind and Fire, das passt sehr wohl zusammen, wie in der mitreißenden Partyszene gezeigt wird, in der Driss die no-blen Herrschaften und damit die festgefügten Verhältnisse zum Tanzen bringt. Das Motto „Versöhnen statt spalten“ leitet die Inszenierung bis in den Soundtrack hinein. Wenn auch ein wahrer Kern in der Geschichte steckt, so ist doch klar und der Film ver-schleiert es auch nicht, dass die gesellschaftliche Realität hüben wie drüben des Rheins anders aussieht. Aber wann wird doch wohl noch träumen dürfen von einer anderen, besseren Welt - im Kino mit offenen Augen und Ohren.