Gerade 22 Jahre jung war Helgard Müller-Jensen, als sie am 5. März 1961 ihre Galerie eröffnete. Jetzt bist Du alt genug, selbst Geld zu verdienen, hatte ihr der Vater gesagt. Ich war sofort entschlossen. Die Idee kam mir nachts, das weiß ich noch genau, vielleicht war da schon ein Gedanke tief in meinem Innern gewesen, meint Müller-Jensen. Der Vater hatte die Tochter, die mit dem Bau von Architekturmodellen und durch den Gewinn eines Kirchenfenster-Wettbewerbs bereits gute Honorare erhalten hatte, richtig eingeschätzt. Innerhalb von nur zwei Monaten organisierte sie alles Notwendige und mietete Räume in der Karlsruher Vorholzstraße.
Arnulf Rainer, Lothar Quinte, Markus Prachensky, Herbert Zangs, Francesco Lo Savio und Modest Cuixart waren die ersten Künstler der Galerie Rottloff. Der Geburtsname der Galeristin war mit schuld daran, dass ihr Interesse an Kunst geweckt wurde. Du malst ja wie Schmidt-Rottluff, du musst Kunst studieren, hatte die Lehrerin ihre Aquarelle in Anspielung auf die Namensähnlichkeit mit dem Brücke-Künstler gelobt. Sie meinte natürlich Kunsterzieherin, aber Lehrerin wollte ich nicht werden, erzählt Müller-Jensen. Neugierig geworden, begann sie sich zu informieren, was nicht leicht war in den frühen 50er Jahren: Es gab ja nichts, nur Trümmer, mein Vater besaß zwei Sammelalben, zu Renaissance und Barock. Die junge Frau entschied sich, Kunst zu studieren. Und zwar in Karlsruhe in der Annahme, der Rhein fließe durch die Stadt. Ich wollte in eine Stadt mit einem großen Fluss, denn Hamburg hatte der jungen Hildesheimerin auf einer der seltenen Reisen sehr gefallen, aber es zog sie ins wärmere Süddeutschland. An der Akademie wurde HAP Grieshaber ihr Lehrer, der seine Studierenden durch Ausstellungskataloge und amerikanische Kunstzeitschriften mit Strömungen wie dem Informell und dem amerikanischen Expressionismus in Berührung brachte.
Selbst gemalt hat Müller-Jensen seit der Gründung ihrer Galerie nicht mehr. Arnulf Rainer kann es besser, sagt sie. Weil in den Nachmittagsstunden weniger Besucher kamen, stellte sie allerdings in der Galerie einen Siebdrucktisch auf und druckte zunächst Einladungen und Ausstellungsplakate, später entstanden Mappen und Einzelblätter einzelner Künstler. Grafik verkaufte sich gerade in den 60er Jahren sehr gut.
Nach Stationen in der Vorholz-, der Kaiser- und der Melanchthonstraße befindet sich die überregional erfolgreiche und renommierte Galerie seit 1973 in der Sophienstraße. Ich zeige nie Gegenständliches, keine naive Kunst und keine Surrealisten, umschreibt Müller-Jensen ihr Programm, das offen ist für Neues und mitunter Gegensätzliches. Die Kunstentwicklungen der vergangenen 50 Jahre spiegeln sich in der Ausstellung Ein Leben für die Kunst mit mehr als 50 Werken aus der Sammlung der Galeristin. Zu sehen sind Arbeiten unter anderem von Ralph Fleck, Rupprecht Geiger, Thomas Lenk, Heinz Mack, Otto Piene, Markus Prachensky, Lothar Quinte, Arnulf Rainer und Gerhard Richter. afr
> 6.3.-29.5., Museum Ettlingen im Schloss, Schlossplatz 3, Mi-So 11-18 Uhr.