Mit dem wohl bekanntesten Streicherintro der deutschen Rockgeschichte fing alles an. Vor gut 15 Jahren wählte Stefan Wenzel den grenzüberschreitenden Hit Am Fenster der DDR-Rockband City für den Auftakt seiner ersten Radiosendung. Istvans Ostrockstunde lautete der klangvolle Name des neuen Konzepts, mit dem Wenzel die ersten Gehversuche als Radiomann beim frisch aus der Taufe gehobenen freien Karlsruher Sender Querfunk wagte. Am Anfang haben alle gesagt: Nach ein paar Sendungen geht dir das Material aus, erinnert sich Wenzel an die anfängliche Skepsis aus seinem Umfeld. Inzwischen hat er es auf knapp 800 Sendungen gebracht, immer sonntags zwischen 16 und 17 Uhr auf Ukw 104,8 MHz oder Kabel 100,2 MHz. Und ich habe noch immer nicht alle meine Platten durch, sagt Wenzel mit einem schelmischen Lächeln.
Wie kam es aber überhaupt zu einer solchen Idee´ Als Querfunk 1995 auf Sendung ging, wurden Mitarbeiter gesucht, die ein funktionierendes Konzept für eine wöchentliche Radiosendung vorlegen konnten, so Wenzel. Der heute 40-Jährige wurde vorstellig und bekam prompt einen Sendeplatz. Seine Idee war dabei zugleich ein Auszug aus der eigenen Biografie. Denn Wenzel verbrachte seine Jugend im ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaat. Erst kurz vor dem Mauerfall wurde ein von seiner Mutter gestellter Ausreiseantrag wegen Familienzusammenführung genehmigt. So dominierten anfangs auch die alten DDR-Rocker seine wöchentliche Radiostunde. Ob City, die Puhdys, Karat oder Bayon Wenzel bekannte sich zum Sound seiner Jugend, verzichtete auf allzu viele Kommentare und ließ am liebsten die Musik sprechen. Viel hat sich am 70er-Jahre-Rock aus dem Westen orientiert. Das war auch deutlich zu hören, gab Wenzel gleich in seiner Pilotsendung Nachhilfe in Ostrock-Geschichte.
Selbst nach 15 Jahren als Hobby-Moderator ist der gelernte und praktizierende Koch seinen sonntäglichen Ausflug ins Showbusiness noch längst nicht leid. Im Gegenteil, er hat das Sendekonzept ständig weiterentwickelt und um einige Facetten erweitert. Inzwischen macht er unter dem Motto Istvans Ost/West-Rockstunde immer wieder Sondersendungen mit persönlichen Reiseerlebnissen oder über biografischen Berichten bestimmter Musiker. Ich habe dadurch viele Leute kennen gelernt, die ich sonst nie im Leben getroffen hätte, sagt Wenzel. Unter anderem hat er bereits die Punk-Queen Nina Hagen, die Altrocker der Puhdys sowie den Schriftsteller Wladimir Kaminer interviewt.
Manchmal kann er einzelne Musiker mit seiner Fachkompetenz sogar richtig aus der Reserve locken. Wie den Anarcho-Rocker Vicky Vomit, den Wenzel mit dessen Vergangenheit bei der DDR-Rockband Prinzz konfrontierte. Das wollte der fast nicht zugeben, erinnert sich Wenzel und schmunzelt. Manchmal greift er auch zu Tricks. Da spielt er eben Musik aus dem ehemaligen Ostblock, oder auch aus Ostengland sowie dem Osten der USA.
Ein bisschen Ostalgie ist natürlich auch dabei. Mit den Sendungen möchte ich zeigen, wie wir aufgewachsen sind und welche Lieder uns dabei begleiteten, so Wenzel. Damals sei es vor allem in den kirchlichen Jugendclubs richtig zur Sache gegangen, erinnert sich Wenzel, der sich noch heute als bekennender Fan der tschechischen Fernsehsendung Der kleine Maulwurf outet.
Ideen für neue Sendungen hat er auch so genug. Demnächst stehen 35 Jahre Karat und ein Special zum 30. Todestag des russischen Liedermachers Wladimir Wyssozkij auf dem Programm. Dazu überschreitet er gerne die Grenzen der heute oft stromlinienförmigen Radioformate, das Lied einer polnischen Band läuft dann schon mal 30 Minuten lang.
Ach ja, den Namen Istvan hat Wenzel übrigens im Ungarnurlaub verpasst bekommen. Istvan bedeutet Stefan auf Ungarisch. Das lag dann irgendwo nahe, sagt er über seinen zum Markenzeichen gewordenen Spitznamen. Nahe lag auch, was eine Freundin von ihm einst dachte: Sie assoziierte mit dem Namen Istvan vor allem East-Wahn, also Ost-Wahnsinn. Passt eigentlich auch ganz gut. -eki