Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 08.2010
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

3 -D – O Weh

Bild - 3 -D – O Weh
Wir leben und bewegen uns in einem dreidimensionalen Raum mit Höhe, Breite und Tiefe und sehen im Kino und im Fernsehen zweidimensionale Bilder, bei denen wir uns die dritte Dimension dazu denken müssen. Da in der Regel Menschen im Film agieren und keine Strichmännchen, nehmen wir das, was wir da sehen, als Abbildung des Lebens wahr.

Die Lebensnähe und Plastizität des Geschehens ist umso größer je glaubhafter die Schauspieler agieren, je besser das Drehbuch, die Inszenierung und die Kameraarbeit sind. Dabei geht es nicht darum, dass wir im Film die Realität wiederfinden, die uns auch im Alltag begegnet, sondern dass in dem, was wir da sehen, soviel Leben steckt, dass wir für die Dauer des Films darüber hinwegsehen können, dass uns etwas vorgespielt wird. Damit es so etwas wie ein Filmerlebnis gibt, muss man das Geschehen auf der Leinwand und auf dem Bildschirm gewissermaßen ernst nehmen, selbst wenn es sich um eine Komödie handelt.

Es ist unsere durch die Bilder und den Ton stimulierte Einbildungskraft, die der zweidimensionalen Vorstellung Tiefe verleiht. Aber das ist ja jetzt nicht mehr nötig, denn es gibt das 3-D Kino und das hat sich mit aller Macht binnen eines Jahres in unseren Kinos breitgemacht, das heißt in den Kinos, die sich die kostspielige Umrüstung leisten konnten. Zum Nulltarif ist die technische Innovation nicht zu haben, auch nicht für den Kinogänger, der für das 3 D-Kinoerlebnis ein paar Euro draufzahlen muss. 3 D-Kino, das ist vor allem mal ein Geschäft für die Filmindustrie - und dann kommt lange nichts. Ob es das Medium Film, die Filmkunst, voranbringt, das ist noch nicht ausgemacht. Was bislang durch die 3 D-Brille zu sehen war, stimmt in dieser Hinsicht eher skeptisch. Darunter sind viele Computerspiele, die auf Spielfilmlänge gestreckt, ihre inhaltliche Leere und die Blutarmut und Flachheit ihrer Figuren erst recht fühlbar machen, da mögen die Felsbrocken noch so imposant durch die Luft wirbeln und ein Schwert noch so bedrohlich in den Zuschauerraum hineinragen. Der Überraschungseffekt dabei hält sich in Grenzen, denn das alles hat es so oder so ähnlich schon gegeben und gibt es immer noch im IMAX-3 D-Format, das übrigens in all den Jahren, die es schon existiert, nicht einen Film von Rang hervorgebracht hat.

Die Versuche in diesem Format eine Geschichte zu erzählen, sind kläglich gescheitert und so hat man sich wohlweislich darauf beschränkt, Delphine, Rennwagen, Surfer, Saurier und dergleichen über die Leinwand flitzen zu lassen. Mit den neuen digitalen 3 D-Verfahren lassen sich ganz gewiss leichter richtige Spielfilme drehen, aber das ändert nichts an der Crux, dass die gleichzeitige Wahrnehmung der Raumtiefe und der psychologischen Tiefe einer Figur in diesem Raum nahezu unmöglich ist. Die Orientierung in diesem vorgetäuschten Raum scheint unsere Einbildungskraft zu absorbieren, so reicht es eben zu nicht mehr als zu altbekannten Geisterbahn- und Schwindeleffekten, die uns schon die Jahrmärkte in unserer Kindheit beschert haben.

Ernst nehmen im oben genannten Sinn kann man das nicht – bis zum Beweis des Gegenteils, den noch kein einziger 3 D-Film mit realen Figuren geliefert hat. Mit animierten Figuren ist das etwas anderes, der greise Held des Pixarfilms „Oben“ kommt einem durchaus menschlich nahe, auch weil er im Gegensatz zu vielen alternden Hollywoodschauspielern und -spielerinnen, deren gestraffte, Botox-gespritzte Gesichter nahezu erstarrt sind, über eine sprechende Mimik verfügt. Aber das hat mit dem 3 D-Effekt fast nichts zu tun. Der wird leider auch in den Pixarfilmen und den Filmen konkurrierender Trickstudios vor allem mit ausufernden Actionszenen bedient, in denen nichts unmöglich und zugleich alles egal ist. Wer fiebert schon mit, wenn Trickfiguren durch die Luft fliegen, auf die Schnauze fallen, von einem Felsbrocken erschlagen werden.

Scart, das rattenhafte Nagetier aus „Ice Age“, das obsessiv einer Eichel hinterher jagt, bietet im dritten Teil (in 3 D) ein schlagendes Beispiel dafür, dass eine Trickfigur nicht totzukriegen ist, aber sehr wohl ein Running Gag, wenn man ihn überstrapaziert. Der Blick in die Filmgeschichte lehrt, dass sich die filmtechnische Entwicklung durch Kritikergebrummel nicht aufhalten lässt, der Tonfilm hat den Stummfilm abgelöst, der Farbfilm den Schwarzweißfilm (auch wenn es lange Zeit beides nebeneinander gegeben hat). Eine kleine 3 D-Filmwelle hat es schon mal gegeben in den 50er-Jahren, sie ist sang- und klanglos verebbt, die Filme hießen z. B. „Das Monster aus der Lagune“ und „Gefahr aus dem Weltall“, und dienten Jahrzehnte später der nostalgischen Erheiterung mit rotgrüner Brille auf der Nase.

Die Brille ist beim 3 D-Gucken weiterhin unverzichtbar und trotz technischer Weiterentwicklung ist das Ding auf der Nase immer noch eine Spaßbremse, vor allem (aber nicht nur) für Brillenträger. Zudem hat die Brille den Effekt, dass man ich selbst im vollen Kinosaal seltsam isoliert fühlt. Das Gemeinschaftserlebnis Kino mag sich nicht recht einstellen. Wenn die schönste Erfahrung an einem Kinoabend aber das Abnehmen der Brille nach der Vorstellung ist, dann gute Nacht 3 D-Kino.


PS. Es wird daran gearbeitet, die 3 D-Brille überflüssig zu machen und irgendwann ist es ganz bestimmt so weit. Aber die Frage, ob der Mensch 3 D im Fernsehen und im Kino überhaupt braucht, wäre damit immer noch nicht hinreichend beantwortet. 3 D-Erlebnisse in Echtzeit liefert uns der Alltag eigentlich genug.