Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 08.2010
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Geht‘s jetzt los´

Kommunales Kino in der Kurbel

Seit über einem halben Jahr steckt sie in den Startlöchern, nun soll die mit Jahresanfang begonnene Hängepartie für die Kinemathek ein Ende haben. Mit siebenmonatiger Verspätung will sie Anfang August mit einem neuen Partner ins Karlsruher Traditionskino Die Kurbel einziehen und umbauen. Wenn nun alles nach Plan läuft, kann sich in der neuen Heimstatt im Oktober wieder der Vorhang für die laufenden Bilder öffnen.

Die vergangenen Monate zehrten schon an den Nerven, sagt Michael Endepols von der Kinemathek, der öffentlich geförderten Karlsruher Filmkunsteinrichtung. Seit Anfang des Jahres tingelt sie ohne eigene Vorführstätte durch die Institutionen und hat derzeit für Avantgarde- und Kinderkino im Badischen Kunstverein und im Naturkundemuseum ihre Leinwände aufgeschlagen. Für die lesbisch-schwulen Filmtage im kommenden Oktober wird noch händeringend ein geeigneter Ort gesucht.

Dabei hätte für Endepol, Alfred Meyer, Inka Gürtler und ihre Mitstreiter alles so schön sein sollen: Ende des vergangenen Jahres endlich der Auszug aus dem ungeliebten, gleichwohl über 28 lange Jahre genutzten Kellerkino im Prinz-Max-Palais, dessen Standard man zwar immer wieder etwas verbessern, dessen 80-Plätze-Kapazität man aber nicht hatte erweitern können. Dann eine kleine Umbauphase und der Einzug in das Studio 3 des 1957 erbauten Kurbel-Kinos in der Kaiserpassage. Das hatte sich angeboten, als Kurbel-Betreiber Bozidar Herbstrith nach einem katastrophalen Filmjahr 2008 auf die Kinemathek zugekommen war. Für die seit Jahren nach einer schöneren Bleibe suchende Kinemathek ein Glücksfall, für das in die Bredouille geratene gewerbliche Kino die Hoffnung auf Entlastung durch verminderte Mietausgaben und befruchtende Synergieeffekte der beiden Publikumsgruppen.

Doch die Planungen gerieten schnell auf auseinander laufende Gleise. Die Kinemathek wünschte sich Veränderungen, die im wesentlichen einen Rückbau des Umbaus aus dem Jahr 2002 bedeuteten, welcher den Eingangsbereich des Traditionshauses zu Gunsten eines niemals funktionierenden Cafés verschandelt hatte. Hierfür gewann sie 600.000 Euro von Stadt und Land, womit Herbstrith, der seit 1970 zunächst als Vorführer, später als Geschäftsführer, seit der Pleite des Kinoimperiums UFA 2005 selbst als Betreiber in der Kurbel arbeitete, nur einverstanden sein konnte. Als im Oktober 2009 dann allerdings die ersten Vertragsentwürfe auf den Tisch kamen, wuchsen ihm die Zweifel. Hatte er sich vorgestellt, die Kinemathek würde ihm eben lediglich einen Saal abnehmen, hatte die öffentliche Investition in die der Hamburger Hubertus Wald-Stiftung gehörende Immobilie eine andere Konstruktion erfordert.

Die Kurbel, die weiterhin drei Leinwände und 450 der rund 600 Sitzplätze des Hauses bespielen sollte, müsste bei der Kinemathek zur Untermiete gehen und 75 Prozent des anfallenden Festmietpreises bezahlen. „Als die Entwürfe auf den Tisch kamen, sagte ich gleich, dass ich das so nicht unterschreiben könne“, sagt Bozidar Herbstrith, der darauf verweist, dass er zuvor eine Umsatzmiete bezahlt habe, die „in der Vergangenheit im Schnitt etwa ebenso hoch“ gewesen sei, er nun aber über ein Kino weniger verfügen sollte: „Wie die vergangenen Jahre gelehrt haben, ist das nicht zu erwirtschaften.“ Zudem hätte er sich den Umsatzausfall in der durch den Umbau bedingten, mehrwöchigen Schließungszeit ebenso wenig leisten können, wie er die vorübergehende Entlassung all seiner Mitarbeiter in Betracht zog. In die Umbauplanungen sei er „nicht wirklich einbezogen“ gewesen und habe kein Mitspracherecht eingeräumt bekommen. Zur geplanten Vertragsunterzeichnung kam es nicht, stattdessen kündigte der Vermieter der Kurbel, einer Räumungsklage kam Herbstrith mit der Insolvenzanmeldung zuvor. Eine Zukunft des vor sich hindümpelnden Hauses war so nicht mehr denkbar. In Bälde wird er traurig die Kurbel räumen.

Die Kinemathek indessen stand Anfang des Jahres praktisch wieder am Nullpunkt da - die nun auf Zeit spielende Kurbel wollte von einer Zusammenarbeit nichts mehr wissen. Ihr war zwar der gekündigt, aber ohne einen gewerblichen Partner, der die drei Kurbelkinos füllte, war der Einzug in das Studio 3 für die Kinemathek nicht zu denken. So ersannen Alfred Meyer und seine Mitstreiter die Idee einer Genossenschaft als gewerblichen Betreiber des Kurbelkinos, für die sie bei Kinobegeisterten warben. Tatsächlich fanden sich bald knapp zwei Dutzend Genossen, die Hans-Otto Borchers, der das mittlerweile eingegangene Stuttgarter Kommunale Kino geleitet hatte, als Theaterleiter gewannen. Er soll nun die einem anspruchsvollen, aber breitenwirksamen Kino verpflichtete Tradition der Kurbel fortsetzen und damit das eher experimentell, innovativ und filmhistorisch ausgerichtete Programm der Kinemathek flankieren.

Die Partnerschaft eines öffentlich geförderten und eines gewerblich funktionierenden Kinos in einem Haus ist in dieser Form zumindest außergewöhnlich, findet Dieter Krauß von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, die das Karlsruher Modell mit Interesse und finanziell unterstützend begleitet. Für Krauß sind die so genannten kommunalen Kinos heute ebenso wichtig wie vor knapp vier Jahrzehnten, als viele von ihnen entstanden, um in einer ausgemergelten Kinolandschaft dem neu aufblühenden europäischen Kino ein Forum zu verschaffen. „Durch die im Gang befindliche Digitalisierung der Projektion ist es heute leichter denn je, einen Film ins Kino zu bringen. Einer steigenden Filmproduktion gegenüber nimmt die Zahl der Leinwände der gewerblichen Kinos aber ab. Das bedeutet, dass viele der kleineren, ambitionierten Filme es sehr schwer haben, gezeigt zu werden.“ Diese Lücken zu füllen, aber auch die Reflektion der nicht zuletzt unter dem Stichwort „Neue Medien“ rasant gestiegene Bedeutung des bewegten Bilds sind die Arbeitsfelder von Einrichtungen wie der Kinemathek, die auch durch die Pflege der Filmgeschichte unterstreichen, dass „Film nicht nur eine Ware, sondern vor allem auch ein künstlerisches Ausdrucksmittel unserer Zeit“ darstellt. In der Unterstützung der Kinemathek beim Umzug in das Studio 3 sieht Krauß ein „deutliches Zeichen für die kommunale Film- und Bildungsarbeit“, die für die Filmkultur einer Stadt eine Ergänzung und keine wirkliche Konkurrenz zum gewerblichen Kino darstelle. „Ein gut geführtes kommunales Kino wird die Wahrnehmung für den Film insgesamt stärken.“ Das kommunale Kino müsse Verständnis für die Belange der gewerblichen Filmhäuser haben und umgekehrt, in vielen Städten funktioniere eine fruchtbare Zusammenarbeit. Zur Vermischung beider dürfe es freilich auf Grund der Subventionsrichtlinien keinesfalls kommen, dafür müsste es eben auch in der Kurbel zwei völlig getrennte Betreiber geben.

Diese Trennung wollen das Team der Kinemathek und die gegründete Genossenschaft auf alle Fälle sauber hinbekommen. Zunächst aber gilt es, aus der Kurbel wieder ein attraktives Haus zu machen: „Das Kino sollte auch schon von außen statt eines dunklen Flecks wieder ein strahlender Ort werden“, findet Michael Endepols. Dazu passt, dass der anliegende Passagenhof derzeit vom Autoverkehr befreit und als Verweilort aufgewertet wird. Mit den zahlreichen umliegenden Lokalen und einem vielseitigen, attraktiven cineastischen Angebot könnte er zu einem der beliebtesten Innenstadthöfe der Fächerstadt werden.