Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 12.2009
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Badischer Beobachter

Projekte und Proteste

Viele in Karlsruhe werden das Jahr 2009 wohl als das Jahr der Niederlagen im Gedächtnis behalten.
Es begann spätestens Anfang Februar mit dem 0:2 des KSC in Bochum. Die Wildparkkicker rutschten auf den Abstiegsplatz und blieben dort für den Rest der Saison. Zwar folgte gegen Hamburg noch ein Lichtblick (3:2 – kann sich noch jemand erinnern´), doch der KSC kam nicht mehr von der Stelle und das war sinnbildlich für ganz vieles, was in dieser Stadt passierte. Besser gesagt, nicht so passierte, wie viele es wollten.

Ein Satz sei beispielsweise an dieser Stelle dem nicht begonnenen Stadionneubau gewidmet, der vielleicht größten Niederlage des KSC. Denn wie wir alle sehen, sehen wir nichts, zumindest nichts Neues. Dabei wäre gerade jetzt ein guter Zeitpunkt für einen Neubau, denn in Liga 2 müsste man kaum Zuschauer wegschicken.

Doch wenden wir uns anderen großen Niederlagen zu. Zumindest aus Sicht vieler, die sich in diesem Jahr bemüßigt fühlten, gegen „die da Oben“ Proteste zu inszenieren. Es war ein Jahr des großen Aufbegehrens. „Karlsruhe - viel vor.viel dahinter“ heißt es offiziell, „nix dahinter“ sagen nicht nur die Dauernörgler, sondern auch immer mehr ganz normal-kritische Zeitgenossen. Viel „hinter sich“ haben einige Karlsruher im Kampf gegen das umstrittene Fleischwerk in Rheinstetten. Die Wogen schlugen hoch, gebaut wird inzwischen trotzdem, was den „nix dahinter“-Spöttern viel Nahrung gab.
Dies gilt auch für den Versuch, die Kombilösung per Bürgerbegehren doch noch zu stoppen. So aktiv wie in diesem Jahr war die Karlsruher Bürgerschaft selten. Es wurde protestiert und geschimpft, was das Zeugs hielt, doch was hat es genutzt´ Wenig, so viel lässt sich unumwunden sagen. Und damit wurde nahtlos an das Jahr 2008 angeschlossen, denn damals galt der Kampf dem neuen Kohlekraftwerk am Rhein, dessen Kamin sich inzwischen weithin sichtbar in den Himmel bohrt.

Fast könnte man meinen, der Widerstand der Bevölkerung interessiert die im Rathaus nicht, wären da nicht die Kommunalwahlen im Sommer gewesen. „Grün gewinnt!“ - hieß es. Die Ökopartei wurde nach Wählerstimmen zweitstärkste Kraft im Rathaus, außerdem legte die Linke zu, die Freien Wähler kamen (wieder) ins Kommunalparlament und aus dem Stand schaffte auch die Liste „Gemeinsam für Karlsruhe“ den Einzug in den Bürgersaal. Doch unterm Strich änderte sich das Kräfteverhältnis nicht entscheidend. Die CDU ist weiterhin stärkste Fraktion, wenn auch von ehedem 22 (1999) auf jetzt 14 spürbar geschrumpft. Zu den steten Verlierern zählt aber auch die SPD, während die Grünen sich binnen zweier Wahlen auf zehn verdoppelten. Stark zugelegt hat aber auch die FDP, die sich auf sechs Vertreter steigerte.

Die Kräfteverhältnisse im Gemeinderat weg von schwarz-gelb verschoben sich somit nur unwesentlich. Die Gegner von Kohlekraftwerk, Fleischfabrik und U-Strab haben kaum zugelegt, und das ist nicht zu widerlegen. Was wiederum zeigt, dass der mündige Wahlbürger entweder seiner Aufgabe nur nachlässig oder gar nicht nachgekommen ist, oder aber die strittigen Themen gar nicht so strittig waren, wie viele glauben wollen. Wo machten die 22.000 Gegen-die-U-Strab-Unterschriftenleister denn ihr Kreuzchen´ Wo lebte sich denn des Volkes Zorn aus´ Chance verpasst, könnte man sagen, oder dass die Wahl den Volkswillen doch ganz ordentlich abgebildet hat. 90.000 Karlsruher gingen zur Wahl, ein Drittel davon, also rund 30.000, gab den Tunnelgegnern die Stimme. Zu wenig, um sich durchzusetzen, das lässt sich klar sagen.

Klar sagen lässt sich auch, dass das Bürgerbegehren gegen die U-Strab von den Initiatoren um Monate, wenn nicht gar Jahre zu spät gestartet wurde. Seit Dezember 2008 war die „Geschäftsgrundlage“ (Manfred Schubnell von den Grünen) „nicht mehr gegeben“, spätestens seit damals wussten die Karlsruher, dass auf die Stadt deutlich höhere Kosten zukommen werden. Damals wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, doch Chance verpasst. Oder war es das Hochgefühl nach den Erfolgen bei den Kommunalwahlen, das die U-Strabgegner dazu verleitete, einen letzten Versuch zu starten´ Dabei hätten sie doch wissen müssen, dass es längst zu spät war, denn weder ein Bürgerbegehren noch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht haben aufschiebende Wirkung, der erste Spatenstich war eigentlich nur mit einem Wunder zu vermeiden. Oder war man wirklich so naiv zu glauben, dass die Koalition der Bauwilligen ein Projekt widerstandslos begraben würde, auf das man seit sieben Jahren hinarbeitet´ Es ist und war ein Spiel mit dem Feuer, denn der Bürgerzorn ist jetzt geweckt und er ist groß. Befürworter und Gegner beharkten sich zuletzt mit fast schon böswilliger Heftigkeit. Nun muss versucht werden, die Gräben wieder zu zuschütten, forderte Eberhard Fischer von der KAL und dies, noch ehe das erste Loch für die Kombilösung gegraben ist.


Ein anderes Projekt, das mit Sicherheit noch für hohe Wellen sorgen wird, ist übrigens schon auf dem Weg. Im kommenden Jahr soll der Bau einer weiteren Rheinbrücke per Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Gegen den Willen der Mehrheit im Karlsruher Gemeinderat und wohl auch der Karlsruher Bevölkerung. Nur wird sich diesmal der Zorn gegen das Land und den Bund wenden.


Eines lässt sich am Ende dieses Jahren immerhin sagen, es war vielleicht in vielen Punkten ein verlorenes Jahr, aber kein gebrauchtes. Vielleicht war es sogar ein gutes Jahr, denn es könnte das Signal gewesen sein, sich wieder in Karlsruhe stärker mit einzumischen. Wieder mehr mitbestimmen zu wollen.

Dass dies durchaus funktionieren kann, zeigt sich im Engagement einer zunächst noch kleinen Gruppe, die es binnen kurzer Zeit geschafft hat, „Das Fest“ 2010 auf die Tagesordnung der Kommunalpolitik zu setzen. Eigentlich hatte Oberbürgermeister Heinz Fenrich nach dem Abgesang des Stadtjugendausschusses ja für eine Denkpause plädiert, für einen Neuanfang an anderer Stelle und in kleinerem Maßstab. Es dauerte kaum 48 Stunden in denen sich Fenrich überzeugen ließ, dass er mit dieser Meinung aber dermaßen komplett auf dem Holzweg ist. Das Fest wird wohl bis mindestens 2015 weiter gehen - und genau das zeigt, dass „die da Oben“ durchaus zuhören, wenn „wir da Unten“ laut genug etwas sagen. - wih