Gabourey Sidibe, die junge Frau, die bei der Oscar-Verleihung in einer Reihe mit Meryl Streep, Helen Mirren und Sandra Bullock (die schließlich den Oscar bekam) stand, passt einfach nicht in das Hollywoodschema, so wenig wie der Film Precious, in dem sie die Titelrolle spielt. Darum konnten die Produzenten des Films keine gelernte Schauspielerin für diese Rolle finden und engagierten die unbekannte Studentin.
Dass sie fett ist, ist nur eines der Probleme der 16jährigen Heldin. Sie hat bereits ein Kind mit Down Syndrom von ihrem eigenen Vater, ein zweites ist schon unterwegs, ihre keifende, verwahrloste Mutter Mary Jones wird ebenfalls gelegentlich übergriffig und hat überhaupt kein Interesse daran, dass Precious etwas lernt. Im Gegenteil: Sie zieht die Tochter weiter in den Dreck, in dem sie sich mit Mitteln der öffentlichen Wohlfahrt häuslich eingerichtet hat. Doch die Fast-Analphabetin Precious, die später auch noch erfährt, dass sie HIV-positiv ist, nimmt gegen alle Widerstände an einem Fortbildungsprogamm teil und eröffnet sich so die Chance auf ein Studium.
Das ist keine typische amerikanische Erfolgsgeschichte. Das hässliche Entlein verwandelt sich nicht in einen schönen Schwan. Precious tritt ins Leben hinaus mit einem dicken Problempaket, aber sie emanzipiert sich von der Rolle des ewigen Opfers, die bei ihrer Mutter schon groteske Züge angenommen hat. Die Standup-Comedian Mo´Nique gibt die Rabenmutter furios, eine Leistung, für die sie zu Recht den Oscar erhalten hat. Das hat nicht allen Afroamerikanern gefallen, die fürchten, dass eine solche Darstellung Wasser auf die Mühlen der weißen Mehrheitsgesellschaft ist. Aber diese Kritik ist viel zu kurz gegriffen. So wie es erlaubt sein muss, den White Trash, die weiße Unterschicht darzustellen und ihre Verhaltensweisen zu problematisieren, muss es auch möglich sein, deren schwarzes Pendant auf die Leinwand zu bannen.
Verhaltens- und Denkweisen, wie sie Mary Jones exemplarisch vorführt, sind nicht aus der Luft gegriffen. Sapphire, die Autorin der Romanvorlage, hat sie hautnah erfahren. Der Roman und der Film sind eine Aufforderung daran etwas zu ändern.
Kinostart: 25. 3.