Auch in einem reichen Land gibt es Armut. Und immer mehr gehören die Kinder zu den Verlierern eines in Schieflage geratenen gesellschaftlichen Systems. So ist die Kinderarmut schon längst in Karlsruhe angekommen, inzwischen ist jedes zehnte Kind in der Fächerstadt von Armut betroffen. Es herrscht weitgehend Einigkeit, dass dagegen etwas unternommen werden muss und das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat eine Überprüfung der Regelsätze für Kinder angeordnet. Die jüngsten Vorstößen der Bundesregierung im Bezug auf Hartz IV stießen dagegen vielerorts auf Unverständnis. Klappe Auf hat sich mit Frauke Zahradnik, Leiterin des Karlsruher Kinderbüros, über die Situation in Karlsruher unterhalten.
Fünf Euro mehr Hartz IV für Erwachsene, Bildungsgutscheine und Chipkarten für die Kinder: Hat die Bundesregierung mit ihrem jüngsten Vorschlägen einen Beitrag zur Minderung der Kinderarmut geleistet´
Zahradnik: Im Großen und Ganzen ja. Immerhin ist in der Politik angekommen, dass Kinder nicht nur einen Teil der Erwachsenensätze brauchen, sondern eigene Bedürfnisse in Bildung und Ausbildung haben. Über die Art und Weise, wie das alles verteilt werden soll, kann man sicherlich diskutieren. Ich persönlich finde es immer besser, in bestehende Strukturen zu investieren und das Geld in bewährte Angebote, wie in Karlsruhe den Kinderpass, zu stecken. Und was viele Familien dringend brauchen, ist Bargeld.
Ist ein System mit Bildungsgutscheinen und Chipkarten in Karlsruhe überhaupt machbar oder sind solche Vorschläge utopisch´
Neue Strukturen zu erfinden, halte ich nicht für sinnvoll. Wenn sich die Mitarbeiter der Jobcenter zusätzlich als Familienlotsen betätigen sollen, bedeutet dies einen irrsinnigen Verwaltungsaufwand. In Karlsruhe gibt es bereits Strukturen, die viele erreichen.
Wie können jene erreicht werden, die bis jetzt noch durch sämtliche sozialen Raster fallen´
Mit attraktiven Angeboten. Wenn der Kinderpass auch fürs Europabad gilt, holen ihn die Leute ab. Und auch Karten für den öffentlichen Nahverkehr sind sehr begehrt. Durch eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft könnten Bildungsangebote noch attraktiver gestaltet werden. Eine Stigmatisierung darf es dabei allerdings nicht geben.
Arme Eltern haben arme Kinder: Sollte wegen diesem Teufelskreis nicht viel mehr Elternarbeit gemacht werden´
Der Kampf gegen die Armut muss auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden. So dürfen auch die Jugendlichen nicht vergessen werden. Jugendliche werden oft nicht in den Blick genommen, obwohl es gerade für sie extrem schlimm ist, arm zu sein. Natürlich muss aber vor allem bei den Eltern angesetzt werden. Das funktioniert in Karlsruhe eigentlich ganz gut. Die Beratungsangebote werden von den Familien angenommen. Für arbeitende Eltern müssen Regenerationsphasen geschaffen werden. Denn arme Familien sind nicht nur Hartz IV-Bezieher, oft gehen sogar beide Eltern arbeiten.
Was wird in Karlsruhe im Kampf gegen die Kinderarmut derzeit in die Wege geleitet´
Die Leitlinien gegen Kinderarmut wurden in einer großen Runde diskutiert. Jetzt müssen sie noch vom Gemeinderat verabschiedet werden. Ein schöner Nebeneffekt der Diskussion war: Viele Leute haben sich mit der Thematik auseinander gesetzt. In Karlsruhe gibt es gute Angebote, um jungen Familien zu entlasten, aber auch Angebote für die Jugendarbeit. Finanziert werden auch die Mitgliedschaft in den Vereinen oder der Eintritt in den Zoo. Und die politische Auseinendersetzung mit der Thematik ist ebenfalls am Laufen.
Kampf der Kinderarmut > Mit seinen gesellschaftspolitischen Thesen und dem öffentlich propagierten Grundeinkommen hat Götz Werner bereits vor einiger Zeit eine lebhafte Diskussion über die soziale Gerechtigkeit angestoßen. Im Rahmen der vom Kinderbüro der Stadt Karlsruhe initiierten Veranstaltungsreihe Arm oder Reich sind wir alle gleich´ beschäftigt sich der dm-Gründer mit dem Grundeinkommen für Kinder als einen möglichen Ausweg der sich auch in Karlsruhe ausbreitenden Kinderarmut. Denn für den Visionär Werner gibt es sehr wohl Wege aus dem derzeitigen Dilemma einer ungerechten Verteilung von materiellen Gütern und der daraus resultierenden Chancenungleichheit bei Jugendlichen im Bezug auf Bildung. Dass mit Werner ein erfolgreicher Unternehmer zu sozialen Problemen Position bezieht, gibt der Sache zusätzliches Gewicht. Denn für Werner gehören faire Entlohnung und gute Arbeitsbedingungen seiner Beschäftigten zum Erfolgsmodell seiner Drogeriemarktkette. Verständlich aufgearbeitet wird das bedingungslose Grundeinkommen für Kinder außerdem in einem von der Spiel- und Lernstube Oberreut gedrehten Kurzfilm, der an diesem Abend eine Premiere feiert. > Di., 30.11.2010, um 20 Uhr, jubez, Kronenplatz, Karlsruhe.
Konzert für den Tafelladen > An etwa 1500 bedürftige Karlsruher Haushalte, das bedeutet etwa 3500 Menschen, vermittelt die Beiertheimer Tafel Lebensmittel gegen ein geringes Entgelt. Neben den Lebensmittelspenden des Einzelhandels benötigt die Tafel aber auch dringend Geldspenden, da Kühl- und Transportfahrzeuge, Ladenmiete, Energiekosten und Müllentsorgung hohe Kosten verursachen, die durch die symbolischen Preise, die von den Kunden für die Waren verlangt werden, nicht abgedeckt werden. Ein abwechslungsreiches Benefizkonzert mit dem Musik aus dem Barock bis in die Moderne spielenden Bläsertrio Alla Camera, Klaviermusik von Bach und Brahms mit Ralph Hammer sowie dem einen Bogen von der Klassik bis zum Pop spannenden Vokalensemble Double-Q soll Geld in die Kasse des Tafelladen fließen. > So 14.11.,2010 um 17 Uhr, Gemeindezentrum von St. Elisabeth, im Herrmann-Jung-Haus, Graf-Rhena-Straße 20a