Endlich ein Lichtstreifen am Horizont´ Oder sollte es sogar eine richtige Wende werden´ Der ADAC macht eine Studie und plötzlich kommt alles ins Rollen. Stadtplaner, Vertreter von Polizeibehörde und Tiefbauamt und - Radfahrer setzen sich an einen Tisch. Sie beraten, verhandeln und erarbeiten ein Rad-(Wege-)Konzept. So mancher Radler ist platt. Denn, so der Anspruch, es geht nicht um Flickwerk, sondern ums Ganze: Das Karlsruher Radwegenetz soll grundsätzlich verbessert und die Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden. An oberster Stelle steht - Sicherheit. Überdurchschnittlich viele und schwere Unfälle mit Radfahrern fielen den ADAC-Testern in der Fächerstadt auf. Insgesamt belegte Karlsruhe den 18. Platz. Nur in vier der 22 getesteten Großstädten sah es für Radler noch schlechter aus.
Klappe auf unterhielt sich mit Heiko Jacobs vom VCD (Verkehrsclub Deutschland) und Mechtild Bauer und Hans Keller vom ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) über Unfälle, die Cityroute, über Träume und die Anschubkraft des ADAC.
Seit Jahren versuchen ADFC und VCD die Situation für Radfahrer zu verbessern. Da muss der `unverdächtige´ ADAC eine Untersuchung machen und mit einem Mal kommt Bewegung in die Fahrradpolitik´
Radler: Die ADAC Studie hat schon aufgerüttelt. Aber es gab auch den ADFC-Klima-Test. Dazu kommt eine wirkliche Veränderung in den städtischen Ämtern. Es hat eine Art Generationswechsel gegeben. Und in den Dienststellen, die mit Radfahren zu tun haben, arbeiten Radbeauftragte. Die fahren selber mit dem Rad und wissen, worum es geht. Sie haben die leidigen Erfahrungen oft selbst gemacht.
Im Vergleich zu anderen Städten ist Fahrradfahren in Karlsruhe besonders gefährlich. Wo liegen die Gefahrenpunkte und wie können Sie entschärft werden´
Wir haben die Daten von der Dienststelle für Bürgerservice und Sicherheit (BuS) bekommen und 33 größere Unfallstellen aus unserer Sicht untersucht und kommentiert. Ein Schwerpunkt an dem viele Unfälle passieren ist tatsächlich die gesamte Cityroute vom Rondellplatz bis zur Karlstraße. Immer da, wo Straßen queren. Auf der Erbprinzenstraße ist es gefährlich, das war schon immer bekannt, auch an der Moltke-/Kreuzung Erzbergerstraße. Dazu kommt eine Häufung von Unfällen an großen geteilten Straßen, also immer dort, wo es noch eine kleine Insel zwischen den Fahrbahnen gibt, wie auf der Kriegsstraße, der Durlacher- und der Kaiser-Allee.
Fahren nicht gerade auf der Kaiserstraße auch einige Radler gegen den Strich´
Die BuS sieht da natürlich viele Falschfahrer. Die Leute kommen zum Beispiel von einem Kurs bei der VHS, bleiben auf der Seite und radeln gegen die Fahrtrichtung, also auf der falschen Seite, in die Innenstadt. Wir sagen Falschfahrer, ja, aber auf lange Sicht gibt es keine Möglichkeit die Kaiser-Allee zu überqueren. Da muss was passieren. Wir brauchen mehr Überquerungsmöglichkeiten bei zweigeteilten Straßen. Dazu kommt, dass die Mittelstreifen, also die kleinen Inseln zwischen den Richtungsfahrbahnen sehr knapp bemessen sind. Am Mühlburger Tor ist das kriminell, an der Ettlinger-Straße genauso. Und mit Anhänger kommt man da schon gar nicht rüber. Das System ist nur auf Fußgänger ausgerichtet.
Mehr Übergänge, was steht außerdem auf ihrer Wunschliste´
Grundsätzlich sollten Radwege auf der Straße rot markiert werden. Das muss einheitlich sein. An der ersten Kreuzung, wo der Weg dann nicht markiert ist, nimmt der Autofahrer den Radler dann nicht wahr. Ein wichtiger Punkt an Kreuzungen ist auch das Parken. Abgestellte Autos versperren hier oft die Sicht. An Kreuzungen und Einmündungen müssen die Sichtverhältnisse radikal verbessert werden. Das nutzt Rad- und Autofahrern. An Unfallschwerpunkten, wie der Ecke Victoria-/Reinhold-Frank-Straße hat die BuS einen Pfosten aufgestellt. Dadurch kann man hier nicht mehr parken. Das ist vorbildlich. Aber auch Büsche behindern die Sicht, ja und die Wahlplakate, die stellt jeder gerade da hin, wo er will.
Und Sie glauben, dass die Stadt das alles mitmacht. Übergänge, übersichtlichere Kreuzungen, mehr Farbe´
Früher ging immer alles nach dem Feuerwehrprinzip. Hier mal eine kleine Maßnahme... In dem jetzigen Projekt haben Stadt, Behörden und Verbände richtig und gut zusammengearbeitet. Ein weiterer grundlegender Unterschied ist das Konzept. Es geht um ein umfassendes Handlungskonzept mit Unfallanalyse und festgeschriebenen Zielen. Mehr Sicherheit steht an oberster Stelle. Wir haben kollegial zusammengearbeitet. Es war eine offene Plattform.
Die Verbesserungen kosten auch was und mit Übergängen und Farbe ist bei Ihnen noch nicht Schluss...
Ja, die Ampelanlagen müssen noch synchronisiert werden. Wenn ich zum Beispiel die Durlacher Allee überqueren will, sollten beide Übergänge, von der Querstraße zur Insel und von dort über die andere Straßenseite, gleichzeitig grün geschaltet werden. Was die Umsetzung der erarbeiteten Punkte angeht, sind wir zuversichtlich. Im Herbst sollen die `neue´ City-Route Nord und Süd eröffnet werden. Das hat man uns jedenfalls versprochen. Wir hoffen, dass es klappt.
Was ändert sich´
Einmal geht es über die Amalien- und Herrenstraße. Dort sind noch Arbeiten erforderlich. An der Ampel über die Karlstraße brauchen wir ein schnelles Grün für Radler. Und bei der Nordroute gehts insbesondere um eine Abbiegemöglichkeit von der Hans-Thoma-Straße in die Bismarckstraße und die Moltkestraße. Das ist ein wichtiges Zielgebiet für viele Studenten und die Bewohner der Nordstadt. Eine eigene Radspur fehlt.
Selbst wenn das erarbeitete Konzept verwirklicht wird, in Holland sieht Radfahren dann doch noch ganz anders aus...
Holland, das ist zum Träumen, aber zum Träumen reicht schon ein Blick nach Freiburg. Wenn es sichere Abstellmöglichkeiten gäbe oder nur eine Reparaturstation am Bahnhof. Container für Radreisende, die ihr Gepäck in Karlsruhe stehen lassen können, das wäre eine tolle Sache. Das gibt es sogar in kleineren Gemeinden. Selbst wenn das Konzept umgesetzt wird, bleiben immer noch viele Schwachpunkte. Die Stadtplaner verstehen unser Anliegen. Aber der Groß- und Einzelhandel, der nimmt Fahrradfahrer nicht besonders ernst. Karlsruher Einzelhändler vertreten konsequent die Auffassung, Radfahrer besäßen keine Kaufkraft. Für Autofahrer gibt es kostenlose Parkplätze und ein Leitsystem. Radler können sehen, wo sie bleiben. Und wenn einige wenige Radständer aufgestellt werden, entsprechen sie häufig nicht vernünftigen Anforderungen an Qualität. Die Neue Messe war auch ein schönes Beispiel. Erst als dort eine Radmesse(!) veranstaltet wurde, wurden Ständer ausgeliehen(!!!), später dann welche installiert, richtige Felgenkiller.
Interview: lütt