Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 10.2005
Verschiedenes Meldungen

 

Fachmann für Wein

Warum wächst in der Sahara kein Wein´

Anfang Oktober, wenn also der Klappe-Auf-Leser diese Zeilen vor sich hat, wird entschieden sein, ob der Weinjahrgang 2005 ein furioser werden wird. "Vorher kann man nur vorsichtige Prognosen abgeben", sagt Guntram Fahrner, einer der führenden Weinkenner Deutschlands.

Zum Redaktionsschluss sah es noch ganz gut aus: Milde September-Tage, kühle Nächte. "Im Jahr 2000 hat der feuchte September die Trauben noch geschädigt" - die vollen, dicht behangenen Trauben dürfen nämlich nicht allzu lange feucht sein, damit es nicht zur Fäulnis kommt. Es ist eine komplizierte Wissenschaft,von welcher der "beste Sommelier Deutschands" und "Deutscher Meister im Wein-Degustieren" (um nur wenige seiner Auszeichnungen zu nennen) erzählt. Der Jahrgang 2005 also könnte ein ganz großer Jahrgang werden, während der hoch gelobte Jahrgang 2003 gar nicht so toll war. Guntram Fahrner kontert die Frage nach eben diesem Jahrgang mit der Gegenfrage: "Warum wächst in der Sahara kein Wein´"

Ein guter Jahrgang braucht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Helligkeit, Nährstoffen sowie Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, und das war 2003 nicht gegeben. Gefragt, weshalb denn jeder zweite Jahrgang als "Jahrhunderjahrgang" bezeichnet wird, kommt Fahrner auf die Klimaveränderung zu sprechen: "Winzer können diese eindeutig nachweisen." Während in den 60er- und 70er- Jahren eine Rebe bei 9 Grad Celsius jährlicher Durchschnittstemperatur Trauben ausbilden musste, liegt diese Temperatur heute bei 11 Grad. "Das bedeutet, dass die Trauben mehr Traubenzucker einlagern und vier bis zwölf Tage früher geerntet werden als noch vor 30 Jahren." Für den deutschen Winzer hat die Klimaveränderung Vorteile, denn er benötigt beispielsweise zur Ernte ein "sicheres Zeitfenster" - bis Mitte Oktober ist in den vergangenen Jahren oft ideales Weinlese-Wetter gewesen. Dafür prognostiziert der 36-Jährige Karlsruher, dass einige Rebsorten verschwinden, andere dazu kommen werden. "Der Silvaner könnte auf der Strecke bleiben, aufgrund des ungünstigen Verhältnisses zwischen Säure und Alkohol" - der Alkoholgehalt steigt bei höheren Temperaturen. Profitieren könnte der Cabernet Sauvignon. Während deutsche Anbauversuche in den 70er- und 80er Jahren "grüne und grasige", mithin unbefriedigende Weine hervorbrachten, nennt Fahrner die heutigen Cavernet-Sauvignon-Jahrgänge "anspruchsvoll, grazil und fruchtbetont."
Auch in den anderen europäischen Weinbauregionen wird in den nächsten Jahrzehnten ein Umbruch geschehen. In Sizilien, Südspanien, Apulien oder auch Süd-Frankreich wird ohne Bewässerung kein Weinbau mehr möglich sein, die Trauben werden zunehmend einem "Trockenstress" ausgesetzt sein, was bedeutet, dass die Rebe in ihrem Überlebenskampf nicht mehr ihre Trauben mit Nährstoffen und Wasser versorgt, sondern nur sich selbst. "Das betrifft auch die exquisiten Steillagen in Deutschland", so Fahrner, der seit einigen Jahren selbst einen Weinberg besitzt. Selbstverständlich beste Lage: 530 Rieslingstöcke, Mosel-Steillage, Plattenschiefer-Boden, was je nach Jahrgang 350 bis 400 Flaschen ergibt. Steillagen sind nämlich per se schwerer zu bewässern, was erst recht für Schieferböden gilt, die überdies nur wenig Wasser speichern können.
Guntram Fahrners eigener Weinberg liegt zum Glück nicht ganz oben am Berg, und außerdem sind seine Reben im stolzen Alter von 33 Jahren: "Sie haben sehr lange Wurzeln ausgebildet und holen die besten Nährstoffe tief aus dem Boden." Normalerweise werden Rebstöcke nach 20 bis 25 Jahren herausgerissen, berichet Fahrner, denn dann liefern sie nicht mehr genug Quantität.
Wenn Guntram Fahrner nicht in seinem Weinberg ist oder anderen Menschen in Kursen die Kunst des Weinbaus und Weintrinkens näherbringt, verkauft er übrigens seinen eigenen und andere feine Weine in seinem kleinen Laden beim Gutenbergplatz (Der Weinlade, Nelkenstr. 2) .
Übrigens noch eines zum Klimawandel: Guntram Fahrner prophezeit, dass demnächst in Süd- und Mittelengland, gar in Schweden Weinbau betrieben werden könnte - "die Champagner-Industrie investiert heute schon im Süden Englands mit seinen kalkhaltigen Böden." Und dann ist da noch der Faktor Mensch, der mit seinen Kreuzungen diverser Rebsorten dem Klimawandel und der Reblaus zu Leibe rückt und neuartige Weine produziert. Übrigens ganz ohne Gentechnik, denn diese, so hat sich Fahrner mal von einem Fachmann aufklären lassen, würde bei Trauben und Reben auf ganz natürliche Weise nicht funktionieren. maske