Eigentlich hatten wir nur eine Wiese zur Verfügung stellen wollen, erinnert sich Jochen Picht, Medienkaufmann mit Wohnsitz in Köln. Er hatte Anfang der 90er Jahre an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung (HfG) damals noch in der Moninger-Fabrik studiert, zwischenzeitlich unter anderem bei der Kölner Filmproduktionfirma Rif Film mitgewirkt. Gemeinsam mit dem HfG-Studenten Marc Teuscher hatte Picht vor einem Jahr die Idee eines Camps ins Auge gefasst, in dem sich verschiedene Kunstsparten und Wissenschaft, Ökologie und Soziale Utopie, Natur und Gestaltung miteinander verschränken sollten.
Eine Freifläche für Ideen und Experimente, ein Forum des kreativen Austauschs und der Visionen sollte entstehen, als sie mit wenig mehr als Nichts die Wiese am Rande des unter Naturschutz stehenden Alten Flugplatzes in der Karlsruher Nordstadt bezogen. Ein Wasseranschluss sollte vorhanden sein, der Strom vornehmlich durch Sonnenkollektoren erzeugt werden, ein paar Bau- und Campingwägen als Erstausstattung für ein Gelände, das für ein paar Monate als Raum-Medien-Labor eingerichtet werden sollte. Doch das Wetter meinte es nicht gut mit den beiden und ihren Mitstreitern, die die ersten Wochen über durch den anhaltenden Dauerregen viel Zeit und Energie verloren. Auch die Infrastruktur ließ auf sich warten, so dass erst im Laufe des Juni das Projekt richtige Formen annahm und sich zum lebendigen Camp entwickelte.
Lacuna füllte sich allmählich mit KünstlerInnen, Schauspielern, Musikern, Designern und Wissenschaftlern, manche schauten vorbei, manche blieben für Tage, andere über Wochen. Zum harten Kern der ständigen Bewohner zählt auch der Kochkünstler Erwin Brenner, der in der Freiluftküche residiert, die als Treffpunkt und Zentrum des Lacuna-Camps fungiert. Zum Wahrzeichen des Projekts freilich wurde den Juli über der Cone, eine spektakuläre Skulptur der beiden Karlsruher Architekturstudenten Hans Sachs und Manuel Kretzer, die mit ihrer gemeinsamen Diplomarbeit zum legendären Burning Man Festival in die Wüste von Nevada wollen. The Cone ist ein interaktiver, überdimensionaler Kegel, der durch die Nutzung von Wind- und Menschenkraft Energie erzeugen soll, die ihn nachts in eine leuchtende Skulptur verwandelt. Durch seine Vielseitigkeit als elektrischer Generator, dynamischer Raum sowie interaktive Skulptur verbindet The Cone ökologische Ansprüche und künstlerischen Ausdruck in einem reizvollen architektonischen Kunstwerk und steht sinnbildlich für Lacuna als zukunftsweisendes, nachhaltiges Kunstprojekt.
Neben künstlerischen Vorhaben, die jeder für sich, oder mit der Gruppe verfolgt, steht Information auf dem Programm, etwa in der Vortragsreihe Future Now, die sich zum Beispiel mit Solarenergie und dem Karlsruher Wasser, aber auch mit neuen Vertriebswegen von Filmen befasst. Daneben entstehen auf dem Gelände Filme, Bücher, werden Theaterstücke gezeigt, Kunstwerke ausgestellt und vor allem musiziert. Mit Geige, Akkordeon, Trompeten, Keyboards, Gitarren und Bass zum Beispiel. Eine rumänische Großfamilie, die sich vorübergehend dem Camp angeschlossen hat, holt dann die Instrumente aus dem Wohnwagen. Aber auch elektronische Klänge gibt es zu hören, wobei die Beats und Bleeps in der Regel verstummen, wenn der von den Solarkollektoren erzeugte Strom aufgebraucht ist. Dann hört man immer noch die Tiere, die Insekten, Vögel, Kaninchen und Esel, die das angrenzende Naturschutzgebiet bewohnen. Christian Rall hat auf Lacuna eine Lichtinstallation entwickelt, die auf die Geräusche und Stimmen der Tiere reagieren.
Bis Mitte August haben Picht und Teuscher Lacuna nun verlängert, um ein wenig von der Anfangs verlorenen Zeit wieder einzuholen. Über die Veranstaltungen - geplant sind für August Filmabende, Vorträge, Konzerte, Feste und ein Wassertag mit den Karlsruhe Stadtwerken - informiert kurzfristig die Internetseite www.raummedienlabor.de. Der Cone (www.burning-man.eu) allerdings wird dann nicht mehr in der Karlsruher Nordstadt stehen, denn er ist schon unterwegs nach Amerika, wo am 27. das Burning Man Festival beginnt.