Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 04.2007
Kunst, Ausstellungen Kunst

 

elegant/expressiv - Französische Plastik des 19.Jahrhunderts von Houdon bis Rodin

1902 ging Rainer Maria Rilke „um der Rodin-Studie willen“ nach Paris, von 1908-1910 lebte er mit Auguste Rodin und Clara Rilke-Westhoff gemeinsam im Atelierhaus in der Rue de Varenne. Hansgeorg Schmidt-Bergmann beschreibt in seinem kenntnisreichen Essay (1), wie die Begegnung mit Rodin Rilkes Auffassung von Kunst veränderte: „Von Rodin hatte er gelernt, wie ein Bildhauer vor der Natur zu arbeiten, unerbittlich begreifend und nachbildend.“ Das erste Ergebnis dieser „strengen guten Schulung im Jardin des Plantes“ findet man in jedem Lesebuch: Das Gedicht „Der Panther“. (2)
Rilkes poetisches Programm, das auf einen „Durchbruch zur Moderne“ abzielte, fand in Rodins künstlerischer Haltung die entsprechende Verstärkung: “Man fühlt plötzlich, dass es…. Sache des Künstlers ist, neue Verbindungen zu schaffen, neue, größere, gesetzmäßigere… ewigere“. Wichtig wurde für Rilke die Konzentration auf sich selbst, d.h. auf die eigenen inneren Bilder; Bedachtsamkeit, Geistesgegenwart, „Gesammeltsein“, wie Rodin es nannte („nicht bilden muss ich lernen von ihm, aber tiefes Gesammeltsein um des Bildens willen“).
Rilke brachte in seinem Rodin-Buch den Paradigmenwechsel, den sie Werke des Bildhauers verkörperten, auf den Begriff. Nicht mehr die Endlichkeit der klassischen Idealität, das Hohe und Erhabene zählte, sondern das Unvollständige, das Nichtvollendete, das Werk, das von seiner (unendlichen) Idee, vom Konzept des Künstlers usw., übertroffen wird.
In diesem Jahr, anlässlich seines 90.Todestages, wird Auguste Rodin (1840-1917) durch eindrucksvolle Ausstellungen geehrt. Wie so oft verlässt die Kunsthalle Karlsruhe den „mainstream“ der Spektakelgesellschaft, um im Abseits Unspektakuläres zu präsentieren – was heutzutage das einzig Spektakuläre ist.
Gezeigt wird die reiche Vorgeschichte französischer Plastik des 19.Jahrhunderts, ohne die Rodins einzigartige Leistung nicht zu verstehen ist. Erstmals in Deutschland gibt es in der Kunsthalle die Gelegenheit, die Entwicklung französischer Plastik vom ausgehenden 18.Jahrhundert bis etwa 1910 nachzuvollziehen. Werke von mehr als 30 Künstlern (darunter Jean-Baptiste Carpeaux, der Rodin am meisten beeinflusste), machen den Grundkonflikt sichtbar, der die Plastik des 19.Jahrhunderts bestimmte bzw. den „zerissenen“ modernen Zeitgeist vorwegnahm: Klassische Norm / romantische Expression; geschmeidige Eleganz / subjektive Spontaneität; Ideal / Wirklichkeit; Harmonie / Widerstreit….

( elegant/expressiv – Französische Plastik des 19.Jahrhunderts von Houdon bis Rodin; u.a. mit Arbeiten von J.A. Houdon, F.Rude, J.B. Carpeaux, E.Degas, P.Gauguin, H.Matisse, A.Rodin, Kunsthalle Karlsruhe, 28.4.-26.8.2007).
Hansgeorg Schmidt-Bergmann: „Irgendwie muß auch ich dazu kommen, Dinge zu machen; nicht plastische, geschreibene Dinge“, in: Herrenalber Forum 41, S. 62-76
Rainer Maria Rilke, Briefe,3, S. 929 FL