Hermann Beil, 1941 in Wien geboren, ist eine der bekanntesten Gestalten der deutschsprachigen Theaterlandschaft, auch wenn er weder als
Intendant noch in erster Linie als Regisseur in Erscheinung tritt. Als "Peymanns Dramaturg" gestaltete er mehr als drei Jahrzehnte Theater in
Stuttgart, Bochum, als "gute Seele" der Wiener Burg und jetzt am Berliner Ensemble. Thomas Bernhard verewigte Beil 1987 durch das
Dramolett "Claus Peymann und Hermann Beil auf der Sulzwiese". Sein Buch "Theaternarren leben länger" erscheint im Frühjahr in dritter Auflage.
Am Badischen Staatstheater führt Hermann Beil derzeit die Regie für George Taboris Theaterstück "Die Goldberg Variationen", das am 20.Januar Premiere hat. Johannes Frisch sprach für die Klappe Auf mit dem in Tübingen und Berlin lebenden Theatermann.
Herr Beil, sie haben sich ihren Ruf aus einem Beruf heraus erworben, der im Allgemeinen eher im Schatten des Rampenlichts steht: des Dramaturgen, dessen Tätigkeit sie einmal als Spagat zwischen "Denkfabrik und Mädchen für alles und nichts" bezeichnet haben. Was ist so faszinierend an diesem Beruf´
Hermann Beil: Das ist ein schöner Beruf, weil man auf allen Ebenen des Theaters mitwirken kann, man arbeitet mit Regisseuren, Autoren, Schauspielern und Musikern. Es ist ein Beruf, der es einem erlaubt, sich intensiv mit Dichtung und Wort zu beschäftigen, man kann viel Nachdenken und muss nicht immer sofort auf alles eine Antwort haben.
Man muss allerdings auch Neigung und Fähigkeit mitbringen, sich zwischen den Linien zu bewegen. Dramaturg ist ein sehr ehrenwerter Beruf, der allerdings manchmal in Verruf gerät, wenn er lediglich als Durchgangsstation zum Regisseur und Intendanten betrachtet wird. Aber man kann in dieser Position sehr viel bewegen, wenn man zum rechten Moment das richtige Wort findet.
Im Vergleich zu Claus Peymann werden sie als der stille, stets freundliche, denkerische und bevorzugt lächelnde Widerpart beschrieben.
Muss ein Theaterregisseur nicht eigentlich die Qualitäten eines bissfreudigen, bellenden Hundes mit bringen´
Hermann Beil: Das ist so ein Bild von außen, das man von mir hat, hinter den Kulissen ist das auch manchmal anders. Doch sicherlich bin ich nicht der, der an die Öffentlichkeit drängt. Wenn ich sehr gelegentlich selbst Regie führe, was ich gerne tue, wenn ich darum gebeten werde, bin ich sicherlich nicht der große Regie-Zampano. Ich
schaue gerne Schauspielern zu und versuche eine Stimmung herzustellen, in der Schauspieler möglichst frei spielen und von sich aus ihre Figur
entwickeln.
Sie haben mit unzähligen bedeutenden Regisseuren und Autoren zusammengearbeitet. Einer von vielen berühmten, langjährigen Partnern ist Georgi Tabori, dessen "Goldberg Variationen" sie in Karlsruhe inszenieren. Was schätzen sie an ihm besonders´
Hermann Beil: Er ist ein ganz besonderer Theaterkünstler. In der Arbeit gibt er einem die größte Freiheit und überträgt einem damit die größte Verantwortung, weil es keine vorfabrizierten Rezepte gibt. Bei ihm muss
sich das Theater jeden Abend aufs Neue bewähren und beweisen. Da kann es sein, dass er sagt, so wie wir es gemacht haben war es toll, aber
jetzt probieren wir es einmal anders. Sein Blick auf die Welt ist sehr gelassen und mit feinem Humor ausgestattet. Seine Phantasie ist derart
erfrischend, weil er alle erhabenen Gesetze unterläuft. Dadurch gewinnen seine Stücke eine große Lebensrealität, wie wir das jetzt gerade in den Proben erleben, dass die biblischen Geschichten, die da erzählt werden, uns, obwohl sie so alt sind, so nahe sind, näher, als
wenn wir sie in der Bibel läsen. Diese Lebensnähe hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Tabori so ein großartiges und vielfältige Leben
erlebte, und daraus nie Bitterkeiten entstanden sind. Menschlich strahlt er eine Wärme aus, die alle verwandelt. Wenn er zum Beispiel ans Theater kommt, und es gibt ein Problem, ist sein erster Satz: "Beruhige dich!" Die Begegnung mit Tabori ist für mich ein richtiges Geschenk, für das ich dankbar bin.
Die 1991 am Wiener Burgtheater uraufgeführten "Goldberg Variationen" handeln in der Form einer Theaterprobe von Gott und der Welt. Gibt es
angesichts der Katastrophe dieser Schöpfung einen Gott´
Hermann Beil: Diese Frage wird im Stück immer wieder gestellt und tatsächlich sind die "Goldberg Variationen" aus der Bibellektüre Taboris entstanden. Inwieweit Tabori ein religiöser Mensch ist, weiß ich nicht, vermutlich würde er auf darauf mit einer Geschichte antworten. Tabori glaubt an das Theater und an dessen Verwandlungskraft. Für mich sind die "Goldberg Variationen" ein religiöses Stück, weil sie die Frage nach Gott sehr ernst nehmen. Trotzdem ist es ein sehr leichtes Stück, bei dem man viel Freude, Spaß und Witz haben kann, auch wenn es um Ernstes geht.