Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 10.2005
Verschiedenes Meldungen

 

Fachmann für Fabelwesen

Bigfoot hat Schuhgröße 61

Eine seltsame Menagerie gibt sich die Ehre: Einhörner und Jungfrauen, Warane beim Speisen, Captain Ahab nebst Moby Dick, Bigfoot, das schöne Okapi, affen- und schlangenartiges und ein Vampir, mit Blut und Saugen, und allem was dazu gehört. Nun ja, eigentlich ist es „nur“ die Vampir-Fledermaus, aber Polanskis schwuler Beißer taucht auch kurz auf. Damit nicht genug. „Von Drachen, Yetis und Vampiren“ berichten Dr. Harald Gebhardt und Dr. Mario Ludwig in ihrem gleichnamigen Buch. Sie nehmen Fabelwesen aufs Korn. Die gibt’s „klassisch“, im Meer, in der Mythologie und in der Wirklichkeit, sogar und vor allem in der Werbung. Auf 223 Seiten durchmessen die beiden Wissenschaftler das sagenhafte Reich des Yeti, schauen Medusa ins Gesicht und stellen Lebewesen wie Quastenflosser, Waran oder die portugiesische Galeere verständlich und kurzweilig vor. Klappe auf unterhielt sich mit Harald Gebhardt über Staubsauger, die Vampyrette heißen, über Bigfoot und Gebhardts Geburt im „Jahr des Drachen“.

Herr Gebhardt, Sie sind Naturwissenschaftler, haben über Schnaken am Rhein promoviert und untersuchen bei der Landesanstalt für Umweltschutz in Karlsruhe den Klimawandel. Wie kommen Sie zu Fabeltieren´

Gebhardt: Die haben mich schon interessiert als ich in der Schule war. Drachen, Einhörner und klassische Sagen habe ich nie aus den Augen verloren. Im Studium begegnen sie auch dem ein oder anderen Fabeltier. Ich bin Biologe. Das Wollnashorn zum Beispiel war Vorbild für Fabelwesen. Das Mammut mit seinen Stoßzähnen stand für das Einhorn. Die Knochen des Höhlenbärs interpretierte man als Drachengebeine.

Das Buch enthält viele Abbildungen von (Fabel-) Tieren. Der Greif, dem man in Baden-Württemberg beinahe überall als Wappentier über den Weg läuft, der sitzt bei Ihnen als Pummel neben Alice. Sie sind im Wunderland. Auch mit ihrer Sprache holen sie einiges vom hehren Götterhimmel runter. Wo bleibt da der Respekt´

Gebhardt: Der Greif gilt zwar als verfressen, aber er symbolisiert vor allem Stärke und Kraft. Er ist ein edles Tier. Wir haben uns den einzelnen Themen von vielen Seiten genähert. Konkrete Tiere stehen im Vordergrund. Aber es erscheint eben auch Asterix bei der Sphinx. Wir wenden uns an eine breites interessiertes Publikum. Naturwissenschaftliche Themen und Texte gelten oft als trocken. Wir schreiben fachlich korrekt, aber ein bisschen freier. Der Fun-Faktor kommt nicht zu kurz.

Sie sehen sich auf wissenschaftlichem Terrain. Wie passt da die Kryptozoologie rein´

Gebhardt: Kryptozoologie heißt Lehre vom verborgenen Lebewesen oder Tier. Es ist keine anerkannte Wissenschaft. Kryptozoologen suchen zum Beispiel in der Bevölkerung nach Hinweisen auf Tiere. Ich bin Wissenschaftler. Wenn Kryptozoologen so sorgfältig arbeiten wie ihr Begründer, der belgische Zoologe Bernard Heuvelmans, kann es ein gutes Miteinander von Paläontologen, Biologen und anderen Wissenschaftlern geben. Die russische Kryptozoologin Marie-Jeanne Koffmann hat 20 Jahre lang nach Hinweisen auf einen Wildmenschen, den `Almasty´ gesucht und über 500 Augenzeugenberichte zusammengetragen. Einen wirklichen Beweis hat sie allerdings nicht gefunden.

Bei Bigfoot ging alles schneller. Den entmystifizieren sie mit zwei Worten. Bigfoot hat „Schuhgröße 61“! Er war ziemlich schnell entdeckt, oder´

Gebhardt: Von Bigfoot gab es vor allem viele Spuren: Fell, Fußabdrücke und einen Film. Das wurde alles als Betrug entlarvt. Jemand hat mit einem Holzstück Füße hergestellt und in den weichen Untergrund gesetzt. Der Film war gestellt. Bigfoot gehört mit dem Yeti und Nessi sicherlich zu den berühmtesten Fabelwesen. Er gilt als eine Art Affenmensch, soll aufrecht gehen, zwei bis drei Meter groß sein und zwischen 300 und 500 Kilogramm wiegen.

Bigfoot ist also so eine Art nordamerikanischer Yeti. Wie sieht’s mit dem aus´ Da ziehen sie Reinhold Messner zu Rate...

Gebhardt: Den Yeti gibt’s nicht. Jedenfalls gibt es keine ausreichenden Belege. Yeti-Skalps, die als Reliquien in tibetanischen Klöstern aufbewahrt wurden, erwiesen sich als Fälschungen. Der Tibetbär könnte der Yeti sein, wurde vielfach vermutet. Reinhold Messner hat behauptet, er habe den Yeti gesehen. In seinem Buch werde er darüber sprechen. Das ist erschienen. Messner sagt, der Yeti ist der Tibetbär.

Wie kommen ihre „Tiere“ in die Werbung´

Gebhardt: Dem Einhorn wurden Heilkräfte nachgesagt. Viele Apotheken heißen noch heute so. Es gibt Einhorn-Bier..., einen Staubsauger, der „Vampyrette heißt, weil er – natürlich - gut saugt. Drachen finden sie selbst auf Schokolade, auf Ethnofoodprodukten und Computererzeugnissen oder auf Grillanzündern. Der Drache findet sich im Fernen Osten und bei uns. Ich bin im Jahr des Drachen geboren.

Heißt das, Sie terrorisieren Ihre Umwelt oder sind Sie ein freundlicher Drache, wie Tabaluga´

Gebhardt: Wenn man im Jahr des Drachen geboren ist, bringt das Glück und Kraft. So heißt es jedenfalls in China. An Tabaluga und dem Kleinen Vampir sieht man, dass Bilder auch umgedeutet werden. Die Bestie wird zum Beschützer. Tabaluga ist ein lustiger freundlicher Drache, der Einzug ins Kinderzimmer gehalten hat.

Sie haben aber durchaus einen blutrünstigen Drachen-Vetter. Den Komodo-Waran. Wie steht’s mit dem´

Gebhardt: Der Waran ist eins der Fabeltiere, das in Legenden gelebt hat und später wirklich entdeckt wurde. Davon beschreiben wir einige. Der Komodo-Waran hat ein breites Beutespektrum und ist auch für Menschen gefährlich. Er sieht behäbig aus, schießt aber sehr schnell aus dem Gebüsch heraus. Er zwickt sein Opfer, zum Beispiel einen Hirsch, ins Bein und verschwindet wieder. Der Speichel des Waran enthält eine ganze Palette von gefährlichen Bakterien. Die Wunde eitert und die Warane warten einfach. Sie verfolgen den Hirsch. Wenn der Hirsch zusammengebrochen ist, fressen sie ihn. Junge Warane wohnen zur Sicherheit auf Bäumen, denn die Alten fressen durchaus die Kleinen...

Interview: lütt

Dr. Harald Gebhardt, Dr. Mario Ludwig: Von Drachen, Yetis und Vampiren, Fabeltieren auf der Spur, BLV Buchverlag, München 2005, 19,95 Euro