Zwar lenkte Sigmund Freud alle überschwänglichen Hoffnungen der Glücks-Philosophen ab ("Die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten"), aber er war nicht bereit, zum Feind (d.h. zum Triebverzicht, zu den Anforderungen der Gesellschaft bzw. der Realität) überzulaufen. Lust oder Leben
das blieb für ihn eine offen Frage.
Für Paul Virilio resultiert das "Unbehagen in der Modernität" aus dem "rasenden Stillstand". Die Eliminierung der "mentalen" Bilder durch "Sehmaschinen" (Foto, Film, Video) ist für ihn der Grund, weshalb die gegenwärtige !"Entmenschlichung" den anthropologischen Horizont auf monströse Art und Weise überschreitet. 1992, als Virilio den ZKM-Medienkunstpreis bekam, war er lediglich ein paar Insidern bekannt. Mittlerweile gilt er als der weltweit radikalste Querdenker. Ein "intellektueller, nicht rationaler" Bastler, der sich entschieden dem allgemeinen Konformismus verweigert. A propos: Virilio redet nicht von "Unterschichten", sondern von Menschen, die "überzählig" sind.: "Wenn man uns sagt, die Gesellschaft wird virtuell, dann heißt das doch, keiner muss sich mehr um seinen Nächsten kümmern, weil dessen Anwesenheit in gewisser Weise ja überflüssig wird". Unwillkürlich meldet sich nach dem Besuch der Ausstellung ein penetranter Impuls: Man würde gern weltpolitisch die Notbremse ziehen!
Das Unbehagen in der Kultur - Zu Sigmund Freuds 150. Geburtstag: Kolloquim vom 1.-3. Dez., Programme unter www.zkm.de/ Paul Virilio und die Künste - Ausstellung im Projektraum, bis 7.1.