Das ZKM feiert in diesem Jahr das 30-Jährige. Seit 20 Jahren leitet Peter Weibel das Zentrum für Kunst und Medien. Gegenwärtig zeigt das populäre Ausstellungshaus und Forschungslabor unter dem Titel „Writing The History of the Future“ den ersten Teil einer großangelegten Neupräsentation seiner Sammlung, für den Herbst ist eine Ausstellung mit von Peter Weibel in seiner Zeit am ZKM geschaffenen oder angeregten Arbeiten geplant. Klappe Auf unterhielt sich mit dem 1944 in Odessa geborenen Künstler und ZKM-Chef, der am 31. März in der Kleinen Kirche beim Marktplatz als Gast von Wolfgang Abendschön und seiner Band Akzente persönlich begegnet werden kann.
Wenn Sie die Rolle des Hauses von vor zwei Jahrzehnten mit heute vergleichen, was hat sich da vor allem verändert.
Peter Weibel: Vor allem hat sich die Welt verändert, was die technische und politische Dynamik angeht. Wir haben unseren Auftrag, den technologischen Wandel zu begleiten und zu reflektieren, gut erfüllt. Heute sprechen alle von Digitalisierung und Globalisierung. Wir haben schon zu Zeiten, als es dafür noch überhaupt keine Förderungen gab, zu diesen Themen geforscht und Ausstellungen und Konferenzen veranstaltet. Auch unser Anspruch, ein Museum aller Gattungen zu sein, und die Medien in allen Gattungen zu integrieren hat sich als zukunftsweisend erwiesen. Heute streben Museen auf der ganzen Welt diesen Konzepten zu. Wir sind Pioniere und dabei im Museums-Ranking der Kunstdatenbank artfacts weltweit an der vierten Stelle platziert.
Heinrich Klotz hatte großen Wert auf die Eigenständigkeit der verschiedenen Bereiche und Institute am ZKM gelegt. Sie haben kürzlich diese Struktur aufgegeben. Kommt dabei nicht etwa die Musik unter die Räder?
Weibel: So wenig Sinn es machte, uns in ein Kunst- und ein Medienmuseum aufzuspalten, ist die Aufteilung in Institute heute nicht mehr angebracht. Letztlich handelt es sich nach Heinrich Hertz bei Bild und Ton um Phänomene der elektromagnetischen Wellen. Gerade das Forschen nach den Beziehungen von Akustischem und Visuellem und deren Gesetzmäßigkeiten, die durchaus nicht subjektiv sind, ist das Spannende für unser Haus. Wir sind alles andere als eine Konzerthalle für durchreisende Musikgruppen, sondern bieten mit dem Medientheater und dem Kubus einen sehr speziellen Ort für sehr spezielle Projekte. Das möchte ich in Zukunft mehr herausstellen.
Ist es schwierig, ein Haus zu leiten, das einerseits im internationalen Konzert eine bedeutende Rolle spielen und andererseits von der lokalen Bevölkerung angenommen werden soll?
Weibel: Ganz im Gegenteil. Wir präsentieren hier internationale Künstler auf höchstem Niveau, und die Menschen strömen zu uns - im vergangenen Jahr waren es 260.000 -, weil sie hier etwas geboten bekommen, was es sonst nicht gibt. Das Publikum ist viel offener, lernbegieriger und kundiger, als Presse und Medien für gemeinhin glauben machen. Mit Verblödungskonzepten können sich Fernsehen und Rundfunkanstalten ruinieren, wir machen das nicht.
Das ZKM beschäftigt sich gleichermaßen mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wenn Sie 30 Jahre vorausblicken, welche Rolle könnte da ein Haus wie das ZKM spielen?
Weibel: Da die Regierungen dieser Welt ihre Aufgaben nicht erfüllen und sich etwa um die Einhaltung der Menschenrechte kümmern, gibt es NGOs, die sich wie Amnesty International oder Ärzte ohne Grenzen um die sozialen Defizite der Weltgesellschaft kümmern. In Zukunft sehe ich die kulturellen Defizite immer größer werden. Da ist es Aufgabe von Institutionen wie dem ZKM, NGOs der Künste zu werden, ein Exil für die avancierten Filmemacher, Künstler, Literaten und Musiker. Wir bereiten uns auf diese Aufgabe vor, indem wir internationale Netzwerke knüpfen und zum Beispiel mit Partnern im indischen Mumbai oder der chinesischen Central Academy of Fine Arts zusammenarbeiten, wo wir die Eröffnungsausstellung eines neuen Museums bestreiten. Während in Europa wenig Energie auf das Tradieren der eigenen Kultur aufgewandt wird, ist außerhalb von Europa das Interesse groß. Auch ist für uns der Kontakt zu den Künstlern der außereuropäischen Kulturen höchst wichtig. Wir haben von ihnen viel mehr zu lernen als umgekehrt.
Nach 20 Jahren neigt sich Ihre Ära am ZKM dem Ende entgegen. Welche Qualitäten muss ein Nachfolger mitbringen, und ist konkret jemand in Sicht?
Weibel: Der Oberbürgermeister und die Staatssekretärin Petra Olschowski bilden eine Findungskommission, die die Auswahl der Nachfolge zu verantworten hat. Es reicht sicherlich nicht, einen fundierten Kunsthistoriker zu finden, er muss auch eine Ahnung von Medien, Technik und Wissenschaft haben. Außerdem braucht es spezielle empathische Fähigkeiten, denn das ZKM arbeitet mit einem sehr kleinen Personalstamm, der sich immer am Rande der Belastungsgrenze bewegt.
Fühlen Sie das ZKM in Karlsruhe ausreichend gewürdigt?
Weibel: Von der Bevölkerung und auch der lokalen Presse erfahre ich ununterbrochen warmen und freundlichen Zuspruch. Gerade gestern konnte es eine Dame kaum fassen, neben mir in einem Kaffeehaus zu sitzen. Die Lokalpolitik jedoch versteht möglicherweise nicht so ganz, was das ZKM für die Stadt leistet. Wir werden als einer der wichtigsten Kulturorte in Deutschland geführt und haben etwa zum Stadtgeburtstag unheimlich viel beigetragen, das Ergebnis war, dass uns die Zuschüsse gekürzt wurden.