Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 09.2005
Kunst, Ausstellungen Kunst

 

Warum bei jeder Diät eine Skulptur entsteht

Erwin Wurm (geb. 1954, lebt in Wien) stellt den klassischen Skulpturbegriff zur Diskussion. Indem er den Begriff auf biologische, soziale und psychologische Phänomene ausdehnt. So geben z.B. seine ""Gebrauchsanweisungen"" dem Betrachter die Möglichkeit, entweder eine Skulptur im Kopf ""nachzudenken"", oder sie (unter Zuhilfenahme bereitgestellter Requisiten) ""nachzuspielen"" oder sie (an Hand von Videos) ""nachzuvollziehen"". Entweder sieht man nur die Spur (z.B. Staub) von dem, was eine klassische Skulptur ausmacht, oder man bekommt lediglich das Konzept geliefert (z.B. gezeichnete Faltanleitungen von Kleidungsstücken). So gesehen ist natürlich auch ein Video, das die Inszenierung dokumentiert, eine ""Skulptur"". Und auch die Gewichtszu- bzw. abnahme eines Menschen ist eine ""Skulptur"". Jeder Mitwirkende, der die Anweisungen von Erwin Wurm ausführt, realisiert eine ""Skulptur"", wenn er z.B. auf ein Podest klettert, die Luft anhält und über Spinoza nachdenkt.

Das Moment der `Dauer`, welches in Walter Benjamins Definition der Aura eine zentrale Rolle spielt, wird von Wurm zur Diskussion gestellt. Der Künstler hinterfragt den Ewigkeitsanspruch von Kunstwerken, den Sinn von Konservierung und sucht letztendlich nach einer neuen Form von Kunst (Barbara Steiner in: ""Ästhetik der Absenz""). Genau deshalb gab Peter Weibel seinem Künstlerkollegen im Projektraum des ZKM (2003) die Gelegenheit, seine Skulpturauffassung zu präsentieren. Inzwischen führt dies zu höchst aufschlussreichen Konsequenzen. Die Mode- und Werbebranche hat Wurms Skulpturbegriff appropriiert: Statt Tassen, Bleistiften, Gabeln usw. verwendet man lediglich Parfümflaschen von Markenfirmen oder Kleider von Prada oder Gucci. - Franz Littmann
(Erwin Wurm, Kunstverein Wilhelmshöhe Ettlingen, 18.9. bis 9.10.)

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