Die „Jacke auf einem Hocker“ hat es Alexander Eiling besonders angetan. „Wenn man sich die Stuhlbeine wegdenkt, könnte dieses Bild auch eine von Cézannes Darstellungen des Mont Sainte-Victoire sein“ sagt der Kurator der Großen Landesausstellung, in der die Karlsruher Kunsthalle Paul Cézanne präsentiert. Auch an das Porträt einer Person in Gestalt ihrer Jacke ließe sich denken. Das zwischen 1890 und 1892 entstandene Bild zeigt eine pulsierende Lebendigkeit ihrer Formen, die weich und fest zugleich erscheinen. „Hier wird die Metamorphose-Idee der Ausstellung in einem Werk verbildlicht“, so der Kunsthistoriker, der sich deshalb sehr freut, dass das aus einer Privatsammlung stammende Gemälde ausgeliehen werden konnte. Insgesamt kommen mehr als 100 Leihgaben aus bedeutenden internationalen Sammlungen für die Schau nach Karlsruhe. Sie präsentiert Cézannes Werke nicht in üblichen Kategorien sortiert, sondern bricht sowohl die Chronologie auf wie auch die Einteilung in die Gattungen Stillleben, Landschaft und Porträt.
So werden Grundstrukturen deutlich, die der Künstler motivübergreifend einsetzte. Strukturen und Zwischenräume faszinierten Cézanne, es lassen sich die Gleichen in Stillleben wie in Landschaften und Figurenkompositionen finden. Handtücher erinnern an die Schichten eines Steinbruchs, Blätter erscheinen als kristalline Strukturen. Eiling, der sich in Ausstellungsprojekten gerne mit neuen Sichtweisen auf vermeintlich gut erforschte Künstlerinnen und Künstler befasst, spricht von einer charakteristischen Malweise Cézannes, bei der das Motiv nicht mehr realistisch abgebildet, sondern durch ein System gebündelter Strichlagen neu entwickelt wird. „Diese Striche, in unterschiedlichen Ausrichtungen rhythmisch über die Leinwand verteilt, lassen eine aus Farbe gewebte Oberfläche entstehen. So werden also keine Details mehr geschildert, sondern vielmehr haben diese Strichbündel das Potenzial die unterschiedlichsten Dinge entstehen zu lassen: Von Landschaften über Stillleben bis hin zu Porträts.“
Ein weiteres Augenmerk der Ausstellung gilt der schöpferischen Traditionsbezogenheit Cézannes. Der immer wieder als Vater der Moderne bezeichnete Künstler hat, so Eiling, „intensiv und fruchtbar aus der Vergangenheit geschöpft, und dies teilweise sehr individuell und enorm kreativ“. Aus der Beschäftigung mit den Werken der Vergangenheit - beim Kopieren legte er den Schwerpunkt auf Skulpturen und Malerei des 18. Jahrhunderts - entwickelte er, auch dies eine Form der Verwandlung, eine neue bildnerische Sprache.
> Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Hans-Thoma-Straße 2-4, bis So 11. Februar 2018, Di-So+Fei 10:00-18:00 Uhr, Do bis 21:00 Uhr.
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
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