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Archiv: 08.2006
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Pforzheimer Musik- und Theaterfestival

Sommersprossen Open Air

Totgeglaubte leben länger - nach vierjähriger Pause feiert das Internationale Pforzheimer Musik und Theater Festival vom 3. bis 5. August fröhliche Auferstehung. Nachdem die Ausgabe des erstmals 1977 veranstalteten Sommerspektakels vor zwei Jahren wegen schnöden Geldmangels ausfallen musste, veranstalten das Kulturhaus Osterfeld und der Penn-Club 2000 Sommersprossen 2006 in diesem Jahr als 15. Auflage ihrer populären Freiluftveranstaltung.



“Wir setzen fast ausschlielich auf Straßentheater-Produktionen, die ausdrücklich für die Aufführung unter freiem Himmel geschaffen sind, und vermeiden es, eigentliche Indoor-Stücke einfach nach draußen zu verpflanzen”, beschreibt Gerhard Baral vom Kulturhaus Osterfeld das besondere Gepräge der Sommersprossen, die gezielt nach den besonderen Reizen dessen suchen, was im Haus überhaupt nicht möglich wäre. Unmittelbar deutlich wird das zum Beispiel bei der neuen Produktion des deutschen Freilufttheaters Titanick, das 1990 gegründet mittlerweile einen weltweiten Ruf genießt. “Firebirds” heißt das von bizarren Figuren, faszinierenden Objekten, poetischen Szenarien, Livemusik sowie spektakulären Explosionen und Feuereffekten geprägte Stück, in dem das Theater Titanick am 4. ab 22.30 Uhr dem alten Menschheitstraum vom Fliegen nachsinnt. Sechs todesmutige Piloten, jeder mit seinem eigenen Fluggerät, treten zum Wettkampf an, um sich über eine gewaltige Startrampe hinaus in den Nachthimmel zu erheben. Als Parade durch die dunklen Straßen der Goldstadt - die Straßenbeleuchtung wird ausnahmsweise für diese Aufführung gelöscht - entwickelt sich die Handlung der “Firebirds”, die auf dem Pforzheimer Sedansplatz starten.

Drei Tage Sommersprossen bedeutet drei Tage mit sehr unterschiedlichem Gepräge. Eröffnet wird das das ersten Schulferien-Wochenende einnehmende Festival von der europäischen Erstaufführung des im vergangenen Jahr mit dem ersten Preis beim internationalen Theaterfestival Israels ausgezeichneten “Stones” des Theaters Orto-Da aus Tel Aviv. “Es war uns wichtig, diese nachdenkliche Produktion nach Deutschland zu holen, auch um zu zeigen, dass Straßentheater politische Dimensionen haben kann”, sagt Baral. Symbolträchtig im Stadtgarten auf der Wiese hinter dem Bismarck-Denkmal platziert entfalten Orto-Da ihre surreale Szenerie, in der Steine auf humorvolle und anrührende Weise zum Erzählen kommen. Ausgangspunkt der Geschichte sind die gewaltigen Granitblöcke in Warschau, die eigentlich von den Nationalsozialisten zum Siegesmonument formiert hätten werden sollen, dann aber als Denkmal für die Kämpfer des Aufstands im Warschauer Ghetto ihre Bestimmung fanden. Ebenfalls mit Tiefgang sind die zwei Koproduktionen mit der Akademie Schloss Solitude, die am Eröffnungsabend im Reuchlinhaus zu sehen sind. Zum einen versetzt die iranische Schauspielerin Narges Hashempour die Geschichte der ihr Leben durch das Märchenerzählen verlängernden Scheherazade in das exterritoriale Gebiet einer Flughafenwartehalle - solange sie am Erzählen ist, genießt sie Bleiberecht -, zum andern zeigt der langjährige Mittänzer von Sasha Waltz Hans-Werner Klohe seine experimentellen “Kinemorph Studies”.

Kunterbunt wird es am Samstag, wenn ab 14 Uhr mehr als drei Dutzend Aufführungen vorwiegend mobiler Straßentheater-Produktion die gesamte Pforzheimer Innenstadt beleben, darunter Gruppen aus Frankreich und Belgien, aber auch Lokalmatadore wie die Karlsruher Poppets oder Raphael Mürle aus Pforzheim. Der Abschluss ist dann musikalisch-theatralisch im Enzauenpark, wo unter anderem die gefeierte Mozartband die Musik des genialen Komponisten in neuem Gewand ersprühen lässt, begleitet von einer Riege waghalsiger Artisten, und zu toppen nur von Flash Art, die ein zu den Klängen der Mozartband virtuos choreographiertes Musikfeuerwerk ans Firmament schießen.

Die allermeisten der Veranstaltungen, zu denen insgesamt rund 30.000 Menschen erwartet werden, sind bei freiem Eintritt. Lediglich der Abschluss im Enzauenpark und die Aufführungen im Reuchlin-Haus kosten Eintritt, einen “symbolischen”, wie Gerhard Baral betont, symbolisch auch für die kleine Münze, aus der die Festivalmacher viel zu zaubern haben, und dies auch in zwei Jahren wieder tun wollen. Ausführliche Infos gibt es unter www.sommersprossen-2006.de

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