Der 23. April wäre eigentlich bestens für einen Nationalfeiertag geeignet. Es ist der Tag des deutschen Bieres und ist somit ein besonderer Tag. In diesem Jahr ist es ganz besonders ein besonderer Tag, denn es jährt sich zum 500sten Mal das bayerische Reinheitsgebot für Bier. Es wurde Jahrhunderte später zum Vorbild für das heute gültige deutsche Reinheitsgebot und schreibt vor, dass – bis auf ganz wenige Spezialitäten - ein in Deutschland gebrautes Bier sich nur dann „Bier“ nennen darf, wenn es ausschließlich aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt wurde.
Natürlich brauen andere Länder ebenfalls hervorragende Biere. Allerdings steht es ihnen frei, auch andere Zutaten zu verwenden. Eine deutsche Brauerei könnte dies zwar auch, dürfte aber das Getränk eben nicht „Bier“ nennen.
Durch diese von den meisten Brauern selbstgewollte Einschränkung befürchten manche, dass sich die Biere bald nur durch das Etikett auf der Flasche und kaum mehr durch den Geschmack unterscheiden werden. Dass dies nicht passieren muss, zeigen unter anderem die größtenteils auch nach dem Reinheitsgebot gebrauten Biere der Craft-Breweries in den USA und natürlich die Brauereien in der Region.
Aus den Zapfhähnen der hiesigen drei Hausbrauereien von Rudi Vogel liefen unter anderen schon Pale Ales, Dinkel-, Dreikorn-, Rot- und Rauchbier. Reinheitsgebot und Vielfalt schließen sich für den experimentierfreudigen Brauer offensichtlich nicht aus.
Herr Vogel, fühlen Sie sich durch das RG in Ihrer Kreativität eingeschränkt?
Vogel: Keineswegs. Ich bin für das Reinheitsgebot. Die Möglichkeiten für neue Kreationen sind keineswegs ausgeschöpft. Neue Hopfensorten und Hefen können uns noch viele ungewöhnliche Geschmackserlebnisse bescheren. Unser dezent nach exotischen Früchten schmeckende „Samba“-Bier ist dafür ein gutes Beispiel.
Sind deutsche Biere besser als andere?
Vogel: Bier aus Deutschland ist lediglich eine Spezialität.
Belgien zum Beispiel hat eine tolle Bierkultur, aber eben eine andere als wir in Deutschland. Das hat nichts mit besser oder schlechter zu tun - sie sind einfach verschieden. Außerdem hindert das deutsche Reinheitsgebot doch keinen daran, hierzulande ein Bier mit zugesetzten Aprikosen zu brauen. Er darf es aber nicht Bier nennen. Für solche Getränke wird man in der Zukunft sicherlich noch einen neuen Begriff finden müssen.
Craft-Beer ist in den USA recht erfolgreich und ist inzwischen auch in Deutschland in Mode gekommen. Was – außer teurer – macht das Besondere dieser Biere aus?
Vogel: Der Begriff „Craft Beer“ ist nicht geschützt und bietet somit viel Raum für – manchmal auch äußerst dürftige - Interpretationen. In den USA dürfen nur „kleinere“, mit maximal 9,5 Millionen Hektoliter – in Deutschland wären das somit alle Brauereien – den Begriff verwenden und müssen zudem den größten Anteil des Bieres aus Hopfen, Malz und Wasser herstellen. In Deutschland wären danach alle Brauereien „Craft Breweries“.
Für mich bedeutet Craft Beer ein handwerklich hergestelltes Bier mit einer ganz speziellen und besonders starken, aber nicht unbedingt besonders bitteren Hopfennote. Craft Beer macht in den USA rund 10% der Biermarktes aus, verbrauchen allerdings 50% der Hopfenmenge.
Haben die Amerikaner somit den deutschen Brauern auf die Sprünge geholfen?
Vogel: Man muss es schon zugeben: Es waren die Amerikaner, die uns deutlich gemacht haben, was man mit ungewöhnlichen Hopfensorten und etwas Mut alles machen kann. Sie haben das bei uns fast vergessene „Hopfenstopfen“ wieder näher gebracht. Durch das zusätzliche Einbringen von Hopfen in das fast fertige Bier bleiben die leicht flüchtigen, ätherischen Öle des Hopfens im Bier erhalten. Da schätzungsweise 80 Prozent der Craft-Breweries nach dem Reinheitsgebot brauen, kann man dieses Gebot auch nicht für irgendeine Geschmacksverödung verantwortlich machen.
Manche Spezialhopfen sorgen für einen besonders ausgefallenen, beinahe schon aufdringlichen Geschmack. Wo ist bei Ihnen die Grenze?
Vogel: Wir achten auch auf die Drinkability sprich Süffigkeit unserer Biere. Hopfen mit „Gletschereis Bonbon“-Geschmack muss bei uns nicht sein. Unser hopfengestopftes Indian Pale Ale und unser bereits erwähntes „Samba“- Bier ist die Richtung, die wir zur Zeit bevorzugen.
Na dann. Prost !
Buchtipps >
Die Publikationen von Bierpapst Conrad Seidl sind empfehlenswert. Außerdem kann man sich von einem besonders gestalteten Schaufenster der „Buchhandlung am Kronenplatz“ inspirieren lassen, die dort Bücher zum Thema „Bier“ präsentiert.
Ausstellung >
Bier, Braukunst, Reinheitsgebot > Mit über 300 Exponaten auf 800 Quadratmetern lädt „Bier“ zu einer Zeitreise durch 4.000 Jahre Bierbrauen ein – angefangen beim Brotbrei der Sumerer über den Beginn der industriellen Herstellung im späten 19. Jahrhundert bis hin zum Craft-Beer-Trend in heutiger Zeit. > bis 24. Juli, 2016, Technoseum, Museumsstr. 1, Mannheim
Brauereibesichtigungen >
Hoepfner BrauereiTour: Den – inzwischen seltenen - Anblick offener, mit flockigem Schaum bedeckte Gärbottiche, dazu der frische, pricklende Duft der gärenden Maische kann man – nach vorherige Anmeldung bei der BrauereiTour genießen (Foto oben rechts). Am 2. April und 7. Mai sind offene Führungen ohne Anmeldung jeweils 14.00 Uhr.
Am Tag des Deutschen Bieres am 23.4. finden stündlich Brauereiführungen (ohne Anmeldung) statt. Beginn 10.30 h und die letzte Führung um 17.30 h. Sonderpreis 4 Euro. Der Erlös aus den Führungen wird einem guten Zweck gespendet.
Außer der Privatbrauerei Hoepfner und den Vogelbräus in Karlsruhe, Durlach und Ettlingen ist auch ein Besuch vom Hatz-MoningerBrauhaus, Brauhaus 2.0, Badisches Brauhaus und Brauhaus Kühler Krug möglich. -ajh