Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 09.2005
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Patricia Waller

Häkelarbeiten.

Ihre Kunst kommt nett und freundlich daher - auf den ersten Blick. Schon auf den zweiten stutzt man. Was da zu sehen ist, verwirrt. Material und Machart führen auf die falsche Spur, kontrastieren auf anstößige Weise mit dem Dargestellten.

Schon das Wort „Häkelarbeiten“ ruft Bilder hervor: von Niedlichkeiten, heimeligem Kitsch. Topflappen und Klorollenhüllen. Stattdessen: Blut, Prothesen, Roboterarme oder auch ein Käseigel, Hummer mit Zitronenscheiben. Ein Babyärmchen, wie süß!, greift in die Steckdose. Witz und Schrecken liegen nahe beieinander in Patricia Wallers Objekten, die die Wahrnehmung aus dem Trott bringen. Ihre groteske Wirkung erreichen sie durch verschiedenste Formen der Verschiebung und Verfremdung.

Die Wurst ist ebenso weich und faserig wie der Computerbildschirm oder der blutige Dolch. Aus dem Stickbildchen einer ländlichen Idylle wird das Schlussbild eines Computerspiels - „game over“ die Dorfkirche steht in Flammen, überm Sofa würde es sich höchst beunruhigend ausmachen.

„Needleworks“ nennt Patricia Waller ihre Arbeiten, die sie wie trojanische Pferde benutzt. Das zunächst banal und harmlos Erscheinende bringt Tabuisiertes umso verstörender ans Licht. Zur Zeit arbeitet die 1962 in Chile geborene Karlsruher Künstlerin an einer Serie, die sich mit der Aggression von und an Kindern beschäftigt. Ab Anfang Oktober werden die Arbeiten in Tokio zu sehen sein, als Beitrag zum deutschen Jahr in Japan.

Wallers Interesse am Zustand der Gesellschaft zeigt sich auch an Serien zu Organspenden, Frauen und Technik oder der auffälligen Präsenz von Aliens im Pantoffelkino, Themen, mit denen sie sich in der Vergangenheit auseinandersetzte. Der bissige Humor ihrer Arbeiten wird nicht überall gleich aufgenommen. „In Deutschland scheint es, als ob Kunst bierernst sein muß und möglichst nicht verstanden werden darf“, sagt Waller. In Spanien oder Belgien, so ihre Erfahrung, reagiert das Publikum viel unvoreingenommer und vergnügter auf ihre Ironie. Frauen wiederum scheinen häufiger den Fleißaspekt des Häkelns wahrzunehmen, „ich werde oft gefragt, wie lange ich für eine Arbeit gebraucht habe“, während Männer wiederum keinen blassen Schimmer von der Technik des Häkelns zu haben scheinen: „sie denken oft ich schmeiß die Wolle oben in eine Maschine und unten kommt das gehäkelte Krokodil `raus“.

Von 1985 bis 1990 studierte sie Bildhauerei an der Karlsruher Kunstakademie, „alles andere im Leben erschien mir langweilig, Kunst fand ich toll und hat für mich als Lebensinhalt am meisten Sinn gemacht“. Nach dem Diplom folgten Stipendien in Gent, Chicago und Paris, später Lehraufträge an der Hochschule für Gestaltung Pforzheim und der Universität Köln.

Den Begriff Bildhauerei nennt sie veraltet, zieht stattdessen Rauminstallation vor. Und sicher wird sie immer wieder ihre Betrachter aufs Glatteis führen. Wie jene Vernissagegäste, die desillusioniert feststellten, dass die lecker drappierten Häppchen der kalten Platten aus wolligem Garn bestanden. Oder sich selbst: als Waller in den USA aus dem Flugzeug stieg und gefragt wurde, ob sie Waffen oder sonst Gefährliches mit sich führe, verneinte sie besten Gewissens. An die gehäkelte Bombe im Handgepäck hatte sie nicht gedacht. Zum Glück hatte der Sicherheitsmann Humor.-afr