Die Räuber am Frühstückstisch
In den vergangenen Jahren hat sich die 1985 in Teheran geborene Mina Salehpour in der deutschen Theaterzene zum aufgehenden Stern unter den Nachwuchs-Regisseuren entwickelt. Mehrere ihrer Inszenierungen wurden ausgezeichnet, 2013 erhielt sie den Deutschen Theaterpreis FAUST in der Sparte „Regie Kinder- und Jugendtheater“. Nach „Kamel ohne Höcker“ am Jungen Staatstheater und der Uraufführung von „Hohe Auflösung“ arbeitet die in Hannover lebende Regisseurin nun zum dritten Mal in Karlsruhe und bringt mit Schillers Bruder-Drama „Die Räuber“ ihren ersten Klassiker auf die Bühne.
Sie sind bisher vor allem mit jüngeren, zeitgenössischen Stücken hervorgetreten. Worin unterscheidet sich für Sie die Arbeit an den „Räubern“ zur Arbeit an einem zeitgenössischen Stück?
Mina Salehpour: Die Herausforderung besteht darin, den Bezug und die Relevanz für unsere Zeit herauszufinden, ohne dem Stück etwas anzudichten oder es hinzubiegen. Sicherlich ist es auch spannend, so eine Sprache zu inszenieren. Das erfordert Zeit und man sitzt zunächst einmal länger am Tisch.
Was machen Regisseure Ihrer Generation anders als ihre Vorgänger?
Salehpour: Ich glaube es gibt da keinen konkreten Punkt, den alle Jüngeren anders machen. Alle Generationen waren ja einmal jung, und wollten es anders machen als die Vorgänger. Das gilt anfangs als schwierig, dann wird es zur Norm, schließlich ist es altmodisch. Insgesamt glaube ich aber, dass der Umgang an den Theatern ein bisschen freundlicher geworden ist. Es herrschen nicht mehr die Regiegötter, mit denen man nicht reden konnte, sondern es gibt ein Trend zum Gemeinsamen.
Mit welchen Fragestellungen gehen Sie an die Räuber ran?
Salehpour: Ich finde es spannend die Räuber einmal nicht von der politischen Seite zu betrachten, sondern den Konflikt ganz auf die persönliche Ebene herunterzubrechen. Was ist in dieser Familie schief gelaufen, oder was nicht? Hier kann man zeigen, wie groß die Tragödie schon am Frühstückstisch ist, und wo die Konflikte ihren Ursprung haben. In meiner Inszenierung bleibt der Vater abwesend. Dadurch wird er überlebensgroß und schlimmer als ein anwesender. Man kann sich mit ihm nicht mehr auseinandersetzen und ihm an die Gurgel gehen.
Welche Momente aus den Räubern scheinen Ihnen für die jüngere Generation heute zutreffend?
Salehpour: Gerade dieses Private trifft ja zu allen Zeiten und Generationen. Die Probleme definieren sich im jeweiligen Zeitkontext nur unterschiedlich. Eine zentrale Frage des Stückes scheint mir die nach der Radikalisierung durch Ablehnung. Ich habe zuletzt zahlreiche Biografien von Isis-Kämpfern gelesen. Deren Grundmotiv, dass man glaubt, das Recht für sich gepachtet zu haben, findet man beispielhaft in den „Räubern“.
Ihre erste Arbeit in Karlsruhe war am Jungen Staatstheater und auch andernorts haben Sie häufig Theater für ein junges Publikum gemacht. Ist das eine gefährliche Schublade, in der man nicht so ernst genommen wird, aus der man nur schwer wieder herauskommt?
Salehpour: Ich habe aus Gesprächen mit Kollegen den Eindruck, dass in Deutschland das Kinder- und Jugendtheater nicht so ernst genommen wird. Ich fühle mich in keiner Schublade und arbeite gerne in Hannover, wo das Junge Schauspiel aus dem regulären Ensemble heraus bespielt wird. Ich selbst mache da keinen Unterschied, sondern stelle an jedes Publikum den selben Anspruch. Natürlich muss ich wissen, wer meine Adressaten sind, aber künstlerisch macht das für mich keinen Unterschied. jf
> 17. (Premiere, 19.30 Uhr), 21., 23. und 28. (jeweils 20 Uhr) Januar 2015, Badisches Staatstheater, Kleines Haus, Baumeisterstraße 11, Karlsruhe; So 11. Januar, 11 Uhr, Sonntag vor der Premiere, Matinee