In den vergangenen beiden Jahren hat sich die Theaterlandschaft in Karlsruhe kräftig verändert. Klappe Auf sprach mit der Intendantin Steffi Lackner des Sandkorn-Theaters über mögliche Auswirkungen auf eine der beiden ältesten Karlsruher Privatbühnen.
Gerade in Bereiche, die bislang als Domänen des Sandkorn-Theaters galten, wie das Kinder- und Jugendtheater oder das Musical, sind andere kräftig hineingegrätscht. Wie reagieren Sie darauf?
Steffi Lackner: Man hofft natürlich, dass ein ein großes Angebot in einer großen Stadt noch mehr Menschen animiert, ins Theater zu gehen. In dieser Situation koordinieren wir uns auch mit den anderen Theatern, etwa mit dem Badischen Staatstheater, das einen gemeinsamen Prospekt für Schüler herausgibt, in dem die Stücke aufgeführt werden, die Sternchenthemen fürs Abitur sind. Bei uns ist das die mit hervorragenden Kritiken bedachte Inszenierung von Max Frischs „Homo Faber“. Wir haben ja selbst auch eine große Veränderung im Haus vorgenommen, indem wir fest mit Rusen Kartaloglu und seinem Tiyatro Diyalog zusammenarbeiten. Ich denke, mit diesem konsequenten Schritt auf dem Weg, die Karlsruher mit migrantem Hintergrund ins Theater zu holen, stehen wir in Karlsruhe momentan noch ziemlich alleine und können hoffentlich einen schönen Trend setzen.
Sie pflegen seit Jahren und mit großem Engagement inklusives Theater, machen traditionell vielfältige Angebote für Kinder und Jugendliche, warum haben Sie das Tiyatro Diyalog aufgenommen?
Lackner: Rund ein Viertel der Bevölkerung stammt ursprünglich aus anderen Ländern und Kulturen. Wir finden, dass sich diese Tatsache auch auf unserem Spielplan wiederfinden sollte. Das ist eine große Aufgabe, der wir uns mit viel Elan stellen. Zumal die Migranten ja keine homogene Gruppe darstellen. Ziel ist ein Theater, das Migranten und Eingeborene gleichermaßen anspricht und begeistert. Ein Glücksfall für uns sind dabei die starken Persönlichkeiten von Rusen Kartaloglu und Lamis Klein, die in diesem Jahr auch im Weihnachtskabarett mitwirken. Zusammen mit der aus Georgien stammenden Pianistin Tamouna Gomarteli sorgen sie für ein wirklich multikulturelles Ensemble, was sich natürlich auch in den Themen des Kabarettabends wiederspiegelt. Das ist ebenso ein Schritt auf dem Weg wie das Gastspiel in türkischer Sprache mit der in ihrer Heimat sehr populären Sumru Yavrucuk. Am 1. Dezember spielt sie „Der Tag, nach dem niemand gestorben war“, ein Stück, das in der Türkei Furore machte.
Welches Publikum erreichen Sie bisher mit diesem transkulturellen Ansatz?
Lackner: Natürlich hat Rusen Kartaloglu mit seinen vielfältigen Kontakten in die türkische Community vielfach Landsleute in seinem Publikum. Mit dem Jugendclub MIXIT, aber auch dem Kinder- und Jugendtheater generell oder einem Stück wie „Macho Man“ gelingt es ein sehr gemischtes Publikum anzusprechen. Der Begriff des trankulturellen Theaters stellt uns aber immer wieder ein Bein, weil das so politisch korrekt und theoretisch klingt. Dabei sind doch alle Stücke des Tiyatro Diyalog vor allem auch witzig und unterhaltsam. Das hat die Theaternacht gezeigt, bei der viele Menschen, die ansonsten nie auf die Idee gekommen wären ein “transkulturelles“ Stück anzuschauen, glücklich und begeistert den Saal verließen.
Ist es durch die gewachsene Vielfalt im Karlsruher Theaterangebot für Sie schwieriger geworden, geeignete Stücke für Ihren Spielplan zu finden?
Lackner: Ich versuche unverändert einen Weg zu gehen, der einerseits den Menschen genügend Unterhaltung verspricht, andererseits aber auch immer wieder Stücke bringt, die sich zum Beispiel mit gesellschaftlich brisanten Themen auseinandersetzen. „Herbstsonate“ von Ingmar Bergmann findet als ernstes Stück rundweg begeisterte Besucher, die die Vorstellung häufig mit Bravos quittieren. Aber ich kann nicht verhehlen, dass wir bei so einem Stück um jeden Zuschauer kämpfen müssen. Es ist am Ende eine Frage der Dosierung und hängt auch davon ab, wieviel wir uns leisten können. Auch wenn wir sie nicht mehr in unserem Slogan vorangestellt haben, bleibt die Vielfalt doch ein entscheidender Faktor, um als Theater interessant zu bleiben und sich auf dem Markt zu präsentieren. Wir müssen schon auch flexibel bleiben, um am Ende nicht zu stark festgelegt zu sein.
Welcher laufenden Produktion würden Sie deutlich mehr Publikum wünschen?
Lackner: Da würde ich vor allem den „Nackten Wahnsinn“ nennen, weil ich stolz darauf bin, welch tolle Leistung unser Ensemble da bietet. Für die Zuschauer ist das zwar vor allem sehr lustig, für die neun Spieler aber ist es eine Strapaze und eine riesige Herausforderung an Teamgeist und Zusammenspiel. Dafür ist ein festes Ensemble ein Segen, weil sich hier angesichts der begrenzten Probezeit zeigt, dass alle bestens aufeinander eingespielt sind. Eine Riesenleistung ist es auch von der Regisseurin Mimi Schwaiberger, und ich freue mich sehr, dass wir das so gut hinbekommen haben.