Recht auf Kultur
In einem zweijährigen Prozess hat sich in Karlsruhe ein Kulturkonzept entwickelt, das Ende des Jahres zu Ende gedacht sein soll. In zahlreichen Hearings, Workshops und Diskussionen wurden Informationen gesammelt, Vorschläge erarbeitet und Ideen ausgetauscht, die nun in das Modell eines Karlsruher „Kulturrads“ einfließen, das die Handlungsfelder städtischer Kulturpolitik fürs kommende Jahrzehnt miteinander verweben soll.
Unter der Prämisse „Recht auf Kultur“ finden sich die Pflege des „kulturellen Erbes“, die „kulturelle und gesellschaftliche Bildung“, die „Stärkung der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie“, die „Entwicklung des Stadtraums für Kultur“ und die Verbindung von „Kunst und Wirtschaft“, die allesamt gegenwärtige und zukünftige Aufgabenstellungen der kommunalen Kulturpolitik markieren sollen. Klappe Auf unterhielt sich mit der Karlsruher Kulturamtsleiterin Susanne Asche, die maßgeblich an der Entwicklung des Kulturkonzepts beteiligt ist.
In der Karlsruher Kulturlandschaft hört man allenthalben Beifall für die zur Erstellung des Kulturkonzepts vom Kulturamt initiierten Beteiligungsveranstaltungen. Wie zufrieden sind Sie mit deren Verlauf?
Asche: Das freut mich sehr zu hören. Wir hatten ja sehr unterschiedliche Veranstaltungen, vom Expertengespräch über einen open space bis zur großen Werkstatt mit hunderten Kulturschaffenden, und je nach Art ergaben sich stets andere, aber immer gewinnbringende Ergebnisse. Zudem verfolgen wir mit dem Prozess selbst, der zu einem Kulturkonzept führen soll, das Ziel die Kultur zu stärken. Die Kulturschaffenden zusammenzubringen, ist bereits eine solche Stärkung. Wir haben bei den Workshops die Erfahrung gemacht, dass sich die Vertreter der größten Institutionen mit Mitgliedern kleiner Einrichtungen und freien Kulturschaffenden sehr gut verständigen können. Die dabei spürbare Atmosphäre, dass man sich bei aller Konkurrenz und großen Dichte an hochkarätigen Kultureinrichtungen und Kreativen gerne zusammentut, um gemeinsam Projekte und Ideen zu verwirklichen, ist sicher eine der ganz großen Stärken der Kulturstadt Karlsruhe.
Bereits vor der ersten Großveranstaltung im vergangenen Mai hatte das Kulturamt ein Grundkonzept vorgelegt, anhand dessen die verschiedenen Werkstätten strukturiert wurden. Inwieweit haben sich die städtischen Vorstellungen durch die Werkstatt-Gespräche konkret verändert?
Asche: Aus ursprünglich sechs Handlungsfeldern wurden fünf, wobei das anfänglich sechste Handlungsfeld nun als „Recht auf Kultur“ allen anderen übergeordnet wurde. Die anderen Handlungsfelder wurden präzisiert und durch wichtige Themen wie kulturelle Vielfalt oder audience development (d.h. frei übersetzt: „neues Publikum gewinnen“ Anm.d.R.) ergänzt.
Derzeit entstehen in der Bundesrepublik überall Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzepte (ISEK), in denen je nach kulturellem Potenzial der jeweiligen Kommune die Kultur eine mehr oder weniger große Rolle spielt. Worin unterscheidet sich das Karlsruher Kulturkonzept von diesen Vorlagen, die allesamt etwa die Vernetzung der Kultur, kulturelle Bildung und Möglichkeit der Teilhabe beinhalten?
Asche: Die Überschneidungen ergeben sich daraus, dass alle größeren Städte derzeit vor denselben Herausforderungen wie Globalisierung, demografischem Wandel oder der Frage von der Verbindung von Kultur und Wirtschaft stehen. Das Spezifische unseres Konzepts ergibt sich aus der Besonderheit Karlsruhes. Zum einen erwächst das „Recht auf Kultur“ aus unserem Status als der Stadt der Menschen- und Grundrechte. Die zweite Besonderheit ist, dass hier mit und in dem ZKM als "Speerspitze" künstlerische Kreativität auf wissenschaftliche Innovation trifft und dies neue Sichtweisen, Kunstwerke und Erkenntniswege hervorbringt. So eine Stärke, die wir in Zukunft spartenübergreifend weiter ausbauen sollten, hat eine Stadt wie zum Beispiel Weimar nicht.
Wer braucht ein solches Kulturkonzept, es ging doch bisher offensichtlich auch ganz gut ohne? Oder auf welche Fehler des städtischen Kulturamts aus der jüngeren Vergangenheit können Sie verweisen, die mit einem Kulturkonzept so nicht begangen worden wären?
Asche: Von Fehlern würde ich nicht sprechen, aber ein solches Kulturkonzept zwingt Kulturschaffende, Verwaltung und Politik genauer hinzuschauen. Es dient der Selbstbefragung und Selbstvergewisserung, bei der Kunst- und Kulturförderung handelt es sich ja schließlich um öffentliche Gelder.
Wir sind an einem Zeitpunkt angekommen, wo es gilt, einen genauen Blick darauf zu werfen, was sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Beispiel durch die Internationalisierung des gesellschaftlichen Lebens oder durch die Verbreitung der neuen Technologien verändert hat.
Als neue Prämisse des Karlsruher Kulturrads wurde der Slogan „Recht auf Kultur: Kultur als Grund- und Menschenrecht“ kreiert. Inwieweit ist Kultur als Grundrecht zu verstehen? Fordern Sie neben der verbrieften Kunstfreiheit auch die Aufnahme eines Grundrechts auf Kultur ins Grundgesetz?
Asche: Nein, nein, da würden wir scheitern, da Kultur Ländersache ist ... Den Begriff Grundrecht haben wir gewählt, weil die Grundrechte auf das Individuum, das heißt auf alle gleichermaßen ausgerichtet sind. Wir verstehen das im Sinne eines Bekenntnisses: Wir in Karlsruhe wollen alles dafür tun, dass jede und jeder an der Kultur teilhaben kann, das beinhaltet Eintrittspreise, Öffnungszeiten, barrierefreie Bauten, Themenwahl und mehr.
Was ist aber mit jenen, die gar keine Lust auf Kulturveranstaltungen haben?
Asche: Die haben natürlich auch das Recht dazu. Ich glaube zwar, dass deren Leben ärmer ist, aber es gibt keine Pflicht zur Kultur.
In den kommunalen Entwicklungsgremien sind die ISEKs derzeit das große Thema, vor zehn Jahren war es das Stadtmarketing. Welche Rolle spielt das Stadtmarketing innerhalb des Kulturkonzepts?
Asche: Das ist in dem Kulturkonzept ein sehr wichtiges Teilhandlungsfeld, das dringend bearbeitet werden muss. Wir haben bisher noch kein ausgeprägt kulturelles Standortmarketing, stehen aber mit dem Stadtmarketing zu dem Thema schon in Kontakt.