Junge europäische Regisseure
Interview mit Schauspieldirektor Jan Linders
„Panik, Pathos, Porno“, mit dem provozierend assoziativen Titel wirbt die achte Ausgabe des Festivals Premières, das erstmals in Karlsruhe junge europäische Regisseure vorstellt, von denen neue Impulse in die Theaterszene wirken sollen. Neben Theaterleuten , Kritikern und Veranstaltern wendet sich das viertägige Festival mit zehn Inszenierungen aus neun Ländern auch an ein breites Theaterpublikum aus Deutschland und dem Elsass, weshalb neben Übertitelungen auch verschiedene Publikationen Inhalte vermitteln und Sprachbarrieren überwinden sollen. Klappe Auf sprach mit Jan Linders (Porträtfoto), dem Schauspieldirektor des Badischen Staatstheater, das gemeinsam mit dem Theatre National de Strasbourg und dem freien Theater Maillon zukünftig wechselweise in Karlsruhe und Straßburg ausrichten will. Spielorte sind neben den Bühnen des Staatstheaters auch ZKM und HfG.
Auf zahlreichen Stückemärkten und Festivals werden junge Autoren aufgeführt und vorgestellt, was macht den besonderen Reiz eines Festivals aus, das sich jungen Regisseuren widmet?
Linders: Premières ist das europaweit wohl bedeutendste Festival, auf dem sich jüngere Regisseure präsentieren. Zahlreiche mittlerweile in Europa gefragte und wegweisende Regisseure haben bei Premières erste Aufmerksamkeit erlangt. Unterschiedliche Handschriften ergeben sich schon durch die verschiedenen Theatersysteme und Wege, die die Theatermacher nehmen. Während in Frankreich in der Ausbildung keine Trennung zwischen Schauspieler, Regisseur und Dramatiker existiert und viele Theaterautoren selbst spielen und Regie führen, haben wir hier in Deutschland ein sehr spezialisiertes System. Man kann Schauspieler werden oder Regie oder Dramaturgie studieren. Reizvoll an Premières ist aber auch, dass wir mit Klassikern, politischem Theater und Performance sehr unterschiedliche Theaterformen zeigen, mit denen sich junge Regisseure beschäftigen.
Nach welchen Gesichtspunkten wurde die Stücke des Festivals zusammengestellt?
Linders: Die deutsch-französische Festivalleitung um die Kuratorin Barbara Engelhardt hat über 100 Aufführungen auf DVD gesichtet und rund 40 Vorstellungen persönlich angeschaut. Am Ende haben wir uns um eine interessante Mischung aus verschiedenen Ländern, Theaterformen und Sprachen bemüht. Ich hoffe natürlich, dass wieder der eine oder andere Regisseur dabei ist, der in Zukunft von sich Reden machen und die Theaterlandschaft mitprägen wird. Wir freuen uns sehr, dass dieses renommierte, dichte Festival, währenddessen man sich täglich mehrere Stücke ansehen kann, nun alle zwei Jahre in Karlsruhe stattfindet. So viel internationales Theater gab es hier wohl noch nie.
Das Festival „Premières“ versteht sich in seiner sechsten Ausgabe als dezidiert europäisches Festival, es stellt nicht nur Stücke aus neun europäischen Ländern vor, sondern ist letztlich auch aus Straßburg übernommen. Gab es Probleme in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit?
Linders: Ich würde von Herausforderungen sprechen. Da ist zunächst einmal die Sprachbarriere, vielfach haben wir miteinander Englisch gesprochen. Aber auch einzelne Begriffe, die in den beiden Ländern Unterschiedliches bedeuten, ganz praktische Dinge wie die Ticket-Vertriebswege oder die Arbeit mit dem Publikum und die völlig unterschiedlichen Strukturen der Partner hier und da waren Punkte, an denen wir voneinander lernen mussten. In der konkreten Arbeit haben wir uns sehr intensiv kennengelernt und arbeiten jetzt auf allen Ebenen wirklich zusammen. Das scheint mir gerade im deutsch-französischen Jahr auch ein wichtiger Aspekt zu sein. In Straßburg war das Festival bei den Besuchern bisher sehr beliebt und immer voll, so dass die Straßburger mehrere Busse gemietet haben, um Publikum nach Karlsruhe zu bringen.
Internationale Schauspielfestivals sind anders als musikalische Begegnungen aufgrund der Sprachbarrieren grundsätzlich problematisch. Wie befriedigend können da die zweisprachigen Übertitelungen sein?
Linders: Das funktioniert sehr gut, ich habe das immer wieder auf internationalen Veranstaltungen erlebt. Es wäre schade, wenn wir den Austausch auf Musik und Tanz beschränken würden, denn gerade das Schauspiel hat sehr viel zu sagen, etwa zu Europa in der Krise. Da muss man keine Angst haben, denn wir haben vor allem Stücke eingeladen, die von starken Bildern leben, und die fremde Sprache wirkt ja selbst schon wie Musik. Dieses Festival erspart weite Reisen, um Stücke aus anderen Ländern sehen zu können. Mit dem Programmheft, einer zweisprachigen Theaterzeitung und über die blogartig wachsende Festival-Homepage, wo man jetzt schon kurze Trailer der Stücke sehen kann, werden wir die nötigen Informationen geben, dass niemand den Spaß verliert. Das Sprechtheater wird insgesamt viel europäischer, was zahlreiche grenzüberschreitende Projekte demonstrieren, und auch die Bevölkerung wird immer internationaler. Wir freuen uns natürlich auch über Mitbürger, die aus den Ländern kommen, die in den jeweiligen Stücken gesprochen werden.
> Premières, 6. bis 9. Juni 2013, Karlsruhe, Badisches Staatstheater, Insel, ZKM und HfG.