Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 04.2013
Musik Rund um Musik

 

Hartmut Höll und CampusOne

Musik und Glück - Leidenschaft und Risiko

Bild - Hartmut Höll  und CampusOne
Mit der Eröffnung des Wolfgang-Rihm-Forums, einem bis zu 500 Menschen fassenden Saal für Oper und Konzerte, beendet die Karlsruher Musikhochschule ihr mehrjähriges Bauprojekt. CampusOne versammelt die bislang über mehrere Stellen in der Stadt verteilte Einrichtung um das Schloss Gottesaue. Mit der Langen Nacht des MusikTheaters am 27. beginnt der Veranstaltungsreigen im neuen Haus. Für die Klappe Auf sprach Johannes Frisch im Vorfeld mit dem Rektor Hartmut Höll.

Herr Höll, in Ihrer Semesterauftaktrede sprechen Sie „vom Glück, mit und für Musik leben und arbeiten zu dürfen“. Können Sie dieses Glück in knappen Worten beschreiben?

Höll: Wer ein Musikstudium aufnimmt, muss eine große Leidenschaft in sich tragen, denn Kunst studiert man auf eigenes Risiko. Zu dem großen Können, hinter dem viel Arbeit steckt, muss auch das Quäntchen Glück kommen. Und oftmals muss man sich auf ein Patchwork-Leben einrichten. Doch kreativ sein zu können, heißt mit Sicherheit auch, glücklich zu sein. 

Warum braucht die Karlsruher Musikhochschule CampusOne? Welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich ihr durch den opulenten Neubau?

Höll: Das sind so viele neue Möglichkeiten, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann. Dass eine Musikhochschule einen großen, klingenden Raum für Orchesterkonzerte, für Oper und für Chöre braucht, versteht sich eigentlich von selbst. Musik sucht immer das große Publikum. Das wichtigste scheint mir aber der pädagogische Aspekt zu sein: unsere Studierenden können hier unter professionellen Bedingungen lernen, was es bedeutet, für einen großen Raum zu musizieren. Das ist berufsbezogene Ausbildung par excellence.

Tradition und Innovation dokumentieren sich nun auch architektonisch im Gegenüber von Schloss und Neubau. Inwieweit bedingen sich Traditionspflege und Innovation für die Arbeit der Hochschule?

Höll: Das Neue ist ohne die tiefe Kenntnis des Alten nicht zu verstehen, und das Alte erleben wir in Kenntnis des Neuen auch ganz anders. Innovation und Tradition sind untrennbar miteinander verbunden. Ich finde es schön, dass unser Campus - der nach Fertigstellung der Außenanlagen sicher einer der schönsten in Europa sein wird – dies auch in der gestalterischen Spannung zwischen dem architektonischen Juwel Schloss Gottesaue und dem Multimedia- und Bühnenkomplex mit seiner nüchternen klaren Linienführung zeigt.

Die Aufnahme in eine deutsche Musikhochschule erfolgt nur über eine sehr hohe Schwelle, mit welchen Berufsaussichten können die Absolventen der Musikhochschule denn rechnen?

Höll: Wir hatten im letzten Jahr etwa 2000 Bewerber aus aller Welt und konnten rund 160 aufnehmen. Die Schwelle ist also in der Tat sehr hoch. Unsere Absolventinnen und Absolventen gehen in die verschiedensten Berufe: als Musik- und Instrumentalpädagogen an Schulen, Musikschulen, Musikhochschulen, als Orchestermusiker, als international erfolgreiche Solisten, als Opernsänger oder Mitglieder in Berufschören, als Musikwissenschaftler, Kulturjournalisten und vieles mehr. Und anders als an einer rein wissenschaftlichen Hochschule leisten wir eine sehr individuelle Ausbildung mit einem hohen Anteil an Einzelunterricht. Das bringt eine hohe persönliche Verantwortung für die Dozentinnen und Dozenten mit sich. Zu dieser gehört auch, unter Umständen jemanden rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass er vielleicht nicht gut genug ist, um ihn nicht am Ende einer langen Ausbildung ohne die erhoffte Chance entlassen zu müssen.

In der Musikhochschule studieren derzeit rund 650 Studierende aus etwa 50 Nationen. Inwieweit beeinflusst diese Internationalität die Arbeit an der Hochschule und kommt an der Hochschule auch außereuropäische Musik in den Blick?

Höll: Die Internationalität ist ungeheuer wichtig. Wir wollen die Besten und sind stolz, dass wir die Besten auch bekommen, egal aus welchen Ländern. Die Kenntnis anderer Kulturen schärft dabei enorm den Blick für die eigene Kultur. Wenn der baden-württembergische Rechnungshof von „Wohlstandsexport“ spricht und eine Quote von maximal 15 Prozent außereuropäisch Studierender fordert, ist die Gegenrechnung des zurückfließenden Mehrwerts nicht gemacht. Internationalität ist nicht zuletzt auch eine friedensbildende Maßnahme, denn Kunst und Kultur waren schon immer die Vorreiter des völkerverständigenden Austauschs. So sind wir stolz, derzeit zum Beispiel zwei Studierende aus Ägypten und eine palästinensische Flötistin auf dem Campus zu haben.

Interkulturalität und migrantische Teilhabe wird derzeit als Herausforderung an die Gesellschaft groß geschrieben. Sollte man in absehbarer Zeit an der Musikhochschule nicht auch die türkische Saz studieren können?

Höll: Unsere Studierenden sind keine klassischen Migranten. Sie sind in der Regel im westlichen musikalischen Idiom aufgewachsen, auch wenn sie etwa aus Asien kommen. Ich war sehr beeindruckt, als ich das Central Conservatory in Peking besuchte, wie selbstverständlich dort sowohl traditionelle chinesische Musik als auch westliche Musik gelehrt wird. Was die außereuropäische Musik betrifft, habe ich selbst größtes Interesse, aber wir müssten unsere Hochschule verdoppeln, wenn wir auch Instrumente anderer Kulturen lehren wollten. Durch Partnerschaften zu anderen Hochschulen etwa in Japan, China oder im Nahen Osten versuchen wir aber, zumindest blockweise uns ferne Instrumente und deren Musik unseren Studierenden vorzustellen.

Unter dem Stichwort „Erlebnis Musik!“ ist die Hochschule in Schul- und Kindergartenprojekten sehr aktiv. So ist es eine große Freude, wenn regelmäßig große Kindergruppen, darunter auch Migrantenkinder, mit geröteten Backen erwartungsfroh in die Hochschule kommen. Mit Karlsruhe klingt ! – music to go« tragen wir jährlich unsere Musik in die Innenstadt auf Straßen und Plätze. Solche Initiativen werden wir - neben unseren rund 300 jährlichen Veranstaltungen - in Zukunft weiter verstärken, denn wir wollen uns vor Ort noch mehr beweisen und bewähren, sind eine Musikhochschule mit großem nationalen und internationalen Renommee und doch zugleich ein Kulturträger für Stadt und Region.










Hochschule für Musik - Schloss Gottesaue

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