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Archiv: 08.2011
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Transformers oder die Infantilisierung des Kinos

Bild - Transformers oder die Infantilisierung des Kinos
„Im Kino gewesen. Geweint.“ Das notiert Franz Kafka, der ein eifriger Kinogänger war, in seinem Tagebuch. Das hätte ich auch in einem Tagebuch, wenn ich denn eins hätte, niederschreiben können, nachdem ich mir einen Film angesehen und durchlitten hatte, der zu den Hits der Saison zählt, „Transformers 3“. Was hatte ich auch erwartet von dem zweiten Sequel eines Films, der auf einer Spielzeugreihe bzw. ihr Nebenprodukt, einer TV-Comicserie, basiert, und dessen Regisseur Michael Bay heißt. Der Mann, der es in „Pearl Harbor“ fertig gebracht hat, den Zweiten Weltkrieg richtig gut aussehen zu lassen mit schnieken Soldaten, die nicht rauchen, nicht fluchen, keine obszönen Worte in den Mund nehmen, mit Krankenschwestern, die wie keusche Pin Up-Girls aussehen und Fliegerangriffen, die wie ein Computerspiel im 40er-Jahre-Retro-Chic anmuten. Nein, da konnte man nicht viel erwarten. Herr Bay ist seinem Stil über all die Jahre treu geblieben, Hauptsache, es kracht und zischt und möglichst viele Produktionswerte lösen sich (zumindest dem äußeren Anschein nach) in Rauch auf. Aber „Transformers 3“, in das mich ein Freund, dem ab und an der Sinn nach gedankenloser, actionreicher Unterhaltung steht, mitgeschleppt hatte, übertraf bzw. unterbot all meine Erwartungen. Geschlagene 157 Minuten blickt man ins blanke, lärmende Nichts, das je länger der Film läuft nur noch nichtiger und lärmender wird. Das Finale mit einem geschlagene und erschlagende 45 Minuten dauernden Showdown, bei dem mehrere Wolkenkratzer und einige der titelgebenden Blechteile zerdeppert werden, ist so aufregend wie der Anblick einer Tagesbaustelle auf der Autobahn. Mein Gott, wie fesselnd waren im Vergleich dazu, die Schlachten der Blechbüchsenarmee von Don Blech („Ja da geht’s schepper, schepper, roll, roll“) zu den Glanzzeiten der Augsburger Puppenkiste, die die Transformation von hölzernen Figuren, die sichtbar an Fäden hingen, in etwas Lebendiges, mit dem man sich (zumindest) als Kind identifizieren und mitfiebern konnte, scheinbar kinderleicht bewerkstelligten – und das mit einem Budget, das bei Hollywoodblockbustern gerade mal hinreicht für die Garderobe der Hauptdarstellerin. (Der immer wieder bemühte Vergleich mit der Portokasse ist hinfällig. Welche Filmproduktion hat heute noch eine Portokasse.) Mit Millionen Dollars, Bits und Bytes wird in „Transformers“ versucht virtuellen Blechhaufen, die sich wahlweise in Fahrzeuge oder Riesenroboter verwandeln können, Leben einzuhauchen und sie dann auch noch in ein Gut und Böse-Schema zu pressen, was die Computeranimateure mit irgendeinem gemeinen Zug in der Blechfresse oder eine dunkler Farbgebung zu signalisieren versuchen. Es bleibt bloße Behauptung. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass die einen den Menschen in ihrer US-amerikanischen Erscheinungsform freundlich gesinnt sind, die anderen nicht. Aber was heißt in diesem Fall „Menschen“´ Die weibliche Hauptdarstellerin, im Hauptberuf ein so genanntes Topmodel, bewegt sich mit der mimischen Bandbreite einer Barbiepuppe durch das turbulente Geschehen und sondert ab und an mit ihrem Schmollmündchen (das schon eine Botoxbehandlung hinter sich zu haben scheint) Liebesbezeigungen ab, die auch nur ihr Held, der nicht Ken, sondern Sam heißt, für bare Münze nimmt, weil´s halt im aus allen möglichen Versatzstücken zusammengestückelten Drehbuch so steht. Absurderweise erweisen sich die humanoiden Lebensformen als quasi-unzerstörbar. Kurz nachdem die beiden Liebenden in einem umstürzenden Wolkenkratzer in gewaltiger Schieflage von einer Bredouille in die andere gerutscht sind, erscheinen sie auf einmal unversehrt in aller Frische wieder am Boden. Während ringsherum ganz Chicago in die Brüche geht, erweisen sich ausgerechnet die kleinen, zerbrechlichen Menschlein als unkaputtbar. So werden die Menschen selbst zu Spielfiguren und treffen sich quasi in der Mitte mit ihren Roboterfreunden, hier der entmenschte Mensch, dort die vermenschlichte Maschine. Wenn man sieht wie erfolgreich Bay und Co die bedingten Reflexe ihrer jugendlichen Klientel bedienen, steckt ja so etwas wie eine bittere Wahrheit dahinter. Wodurch zeichnen sich Maschinen aus: Man drückt einen Knopf und erhält die gewünschte Reaktion, „Transformers“ ist eine Geldmaschine, die die richtigen Knöpfe bei einem jugendlichen Publikum drückt und - siehe da! - es funktioniert: Süßer die Kasse nie klingeln. „Transformers“ markiert eine neue Stufe der Infantilisierung des Kinos. Der Siegeszug der Comic-Verfilmungen geht einher mit einer exzessiven Präsentation von Schauwerten, die den 3 D-Effekt zur Geltung bringen. Auf der Strecke bleiben gute Geschichten, Menschen aus Fleisch und Blut, Realitätshaltigkeit, die Gesetze der Physik und alle Themen, Probleme und Fragestellungen, die einen erwachsenen Menschen umtreiben. Man könnte einwenden: Den Scheiß muss man sich ja nicht angucken. Aber die Kinderkacke macht sich nun mal in unseren Kinos breit und lässt wenig Raum für anderes. Lasset die popcornfressenden Kinderlein zu uns kommen, scheinen sich die großer Verleiher und Kinoketten zu sagen. Dann sollten sie sich aber auch nicht wundern, wenn die Erwachsenen, die in unseren Breiten eindeutig in der Mehrheit sind, zuhause bleiben. Kafka hat übrigens geweint, weil ihn ein irgendein kleines Melodram gerührt hat. Ja, ja, Erwachsene gehen auch mal ins Kino, um sich zu Tränen rühren lassen, aber keiner vergießt gerne Tränen um vertane Lebenszeit und nichts anderes sind Filme wie „Transformers 1-3“, „X-Men“, „Pirates of Caribean“ … Im Kino gewesen, Zeit totgeschlagen.