Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 05.2010
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Helden

Bild - Helden
Manche Helden fallen von Himmel, genauer gesagt, sie fallen als ein relativ gewöhnlicher Mensch, den die einen sympathisch, die anderen weniger sympathisch finden, und schlagen auf als Helden. Der kleine Nachteil für die Betroffenen besteht darin, dass sie ihren Heldenstatus nicht genießen können, in der Regel sind sie nämlich tot.

So erging es den Insassen des Flugzeugs, das vor einigen Wochen neben der Landebahn des Flughafens von Smolensk aufschlug. Auf einmal wurde aus einem höchst umstrittenen polnischen Präsidenten, der es sich mittlerweile mit einem Großteil der Bevölkerung verscherzt hatte, ein Nationalheld. Aber was hat er dafür geleistet´ Wenn er die Wahl gehabt hätte, hätte er es, wie auch die anderen Flugzeuginsassen, vorgezogen sicher zu landen und sein Leben weiterzuleben. So aber ist er gestorben und dadurch unsterblich geworden. Dabei ist nicht mehr passiert, als das sich ein lebendiger Reaktionär, der für die Wiedereinführung der Todesstrafe plädierte und Homosexuelle als Menschen zweiter Klasse betrachtete, in einen toten Reaktionär verwandelt hat.

Zum Helden oder Märtyrer taugt aber doch wohl nur, wer sich bewusst für ein Ideal, seinen Glauben oder seine Mitmenschen in Lebensgefahr begibt. Der Tod, der jeden von uns ereilt, ob durch Krankheit oder Unglück, fügt der Lebensleistung eines Menschen, mag er nun ein Trottel oder ein Genie gewesen sein, rein gar nichts hinzu. Und auch dieser Artikel würde um keinen Deut besser, wenn mich nach der Niederschrift der Schlag oder – was natürlich wesentlich schlagzeilenträchtiger wäre - der massive Ascheklumpen eines Feuers speienden isländischen Vulkans getroffen hätte.

Die alte Weisheit „ De Mortuis nil nisi bene“ (Über Tote nur Gutes) mag man im persönlichen Umgang mit den lieben Verstorbenen beherzigen, in geschichtlicher und politischer Dimension angewendet, würde sie zur völligen Geschichtsvergessenheit und Verblödung der Mitwelt und der Nachgeborenen führen. Es wäre das Ende der Geschichte. Diese Feststellung gilt übrigens nicht nur für kleine polnische Staatspräsidenten, sondern auch für große US-Präsidenten wie John F. Kennedy. Nicht vom Himmel gefallen wie Lech Kaczynski sind die in Afghanistan gefallenen deutschen Soldaten, die dann allerdings auch nicht post mortem derart in den Himmel gehoben wurden. Dafür ist wenigstens die Kanzlerin bei ihrer Trauerfeier dabei. Diese Ehre wird den zukünftigen Gefallenen nicht mehr gewährt werden, denn so wie es aussieht, wird sich die Frequenz der Schreckensmeldungen kontinuierlich steigern und eine Regierungschefin hat eben noch anderes zu tun, als mit Trauermiene in Kasernen rumzustehen.

Der Ruf nach mehr Verständnis und Rückhalt in der Heimat der bei solchen Gelegenheiten immer wieder laut wird, ist schierer Unfug. Die deutschen Soldaten marschierten einst mit breiter Unterstützung der Heimatfront, befeuert von die Völkerschlacht feiernden Gedichten und Liedern, mit von Nationalstolz geblähter Brust in die Niederlage des Ersten Weltkriegs, die schon den Keim des Zweiten Weltkriegs in sich trug. Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen, auch wenn man ihn Anti-Terrorkampf oder kriegsähnliche Auseinandersetzung oder eben auch Krieg nennt. Und das liegt nicht am mangelnden Rückhalt in der Heimat und unzureichender Ausrüstung, sondern daran, dass in Afghanistan die, die man zu bekämpfen versucht, denen, die man zu befreien versucht, bis zur Ununterscheidbarkeit ähnlich sind, im äußeren und inneren Habitus.

Die Talibankrieger sehen aus wie durchschnittliche afghanische Männer, die sich jederzeit selbst in Gotteskrieger verwandeln können, indem sie zu einer Kalashnikov und anderem Kriegsgerät greifen. Die Taliban vertreten einen Steinzeitislamismus, der in „moderater“ Form offenbar weit verbreitet ist in großen Teilen der Bevölkerung. Das afghanische Volk selbst scheint weder die Kraft noch auch das dringende Bedürfnis zu haben, sich vom Spuk der Taliban zu befreien. So kämpfen die Soldaten auf verlorenem Pfosten, in steter Gefahr selbst getötet zu werden oder Unschuldige zu töten, die auf einen Zuruf nicht reagiert haben oder sich angeblich verdächtig verhalten haben. Afghanistan ist das Land, in dem Missverständnisse tödliche Folgen haben.

Als ein ganz großes Missverständnis erweist sich nun schon seit längerem das militärische Engagement der Deutschen. Das ist auch ein Lernprozess meinerseits, ich habe dieses Engagement zunächst mit Sympathie begrüßt. Eine gute Sache war es, dieses widerliche Talibanregime zu beseitigen, Osama bin Laden seines Rückzuggebietes zu berauben, die Frauen und Mädchen aus ihrem erniedrigenden Schattendasein zu erlösen. Aber der Preis für das bisschen Verbesserung hier und dort, das bei Bedarf auch gleich wieder kassiert wird, ist, wie sich herausgestellt hat, viel zu hoch auf beiden Seiten.

Die Soldaten in Afghanistan sind keine Helden, sondern arme Schweine, die froh sein werden, wenn sie mit dem eigenen Leben davonkommen. Ein Begräbnis mit militärischen Ehren ist dafür ein schwacher Ersatz.

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