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Archiv: 05.2009
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Der 80er-Jahre-Partymuffel

Bild - Der 80er-Jahre-Partymuffel
Würden Sie einen Film noch mal sehen wollen, dessen Soundtrack sie gelangweilt oder sogar angeödet hat´ Eher nicht. So geht es mir mit den 80er-Jahren.
Ich weiß, das war kein Film, das war die Realität. Ich habe dieses Jahrzehnt schließlich wachen Sinnes durchmessen, aber was bleibt einem am Ende: die Bilder, die man davon im Kopf, und die Musik, die man noch im Ohr hat. Die musikalische Erfahrung lässt sich immer wieder auffrischen, die Hits dieser Zeit werden rauf und runter gedudelt, vor allem von den Privatradiostationen, die bezeichnenderweise selbst ein Kind der 80er sind.
Diese Musik ist publikumskompatibel, sie trifft offenbar den Geschmack von großen Teilen der Hörerschaft. Landauf, landab gibt es 80er-Partys, in denen Mittdreißiger bis Endvierziger in Nostalgie schwelgen, zu den Klängen von Phil Collins. Queen u.a. Die starke schon damals empfundene Aversion gegen die Musik dieser Zeit wurde bei mir wieder aufgefrischt durch eine Hitparade der beliebtesten 80er-Hits, die ich mir zwangsweise mit anhören musste, denn meine Frau empfindet sich selbst als Kind der 80er und verbindet mit den Titeln mehr oder minder schöne Jugenderinnerungen. Also um des lieben Ehefriedens will Augen zu, Ohren auf und durch.
Es wurde ein langer Leidensweg, wobei die Leiden etwas gemildert wurden, durch das schöne Gefühl, Recht gehabt zu haben. Die Musik der 80er kann man zum großen Teil, um mit einem stadtbekannten Publizisten zu sprechen, den Hasen geben.
Wie kann man musikalische Einwegflaschen wie „Gazebo“(„I like Chopin“) oder „Gombay Dance Band“ („Sun of Jamaica“) in den Rang von Klassikern erheben´ Was bringt einen dazu sich immer und immer wieder die Zuckerkringel der „Münchener Freiheit“ reinzustopfen´ Wenn ich nur ein paar Takte des Bombastrocks von „Queen“ höre, stellt sich bei mir schon das Gefühl der Übersättigung ein, bei drei Minuten „Forever Young“ von Alphaville altere ich um vier Minuten und bei der Schunkelnummer „Live is Life“(Nanana....), dem einzig bekannten Opus von „Opus“ fällt mir unwillkürlich die freie deutsche Übersetzung „Scheiß ist Scheiߓ (Nanana...) ein.
Es war die Zeit der simplen Texte, der schlichten melodischen Einfälle und der Synthesizer, die fast alle anderen Instrumente simulieren konnten und zugleich alles gleich klingen ließen. dDer Drumcomputer ersetzte taktsicher, aber leblos den echten Schlagzeuger.
Anfang der 80er-Jahre begann auch der Siegeszug des Videokanals MTV. Die gekonnte Selbstinszenierung hatte Vorrang vor dem Musikmachen, die Optik wurde mindestens so wichtig wie der Sound. So wurde die Geburt musikalischer Retortenbabys, gecasteter Girls- und Boysgroups gefördert, „Boney M.“hatte es bereits in den 70ern vorgemacht.
Die Rockmusik hatte sich erschöpft, die Rolling Stones hatten bereits ihr Pulver verschossen wie andere große Bands auch. Die Fans der Woodstock-Generation waren in die Jahre gekommen, die Aufbruchstimmung der frühen Jahre war verpufft, die Art-Rock-Verstiegenheiten von Bands wie Emerson Lake & Palmer, Yes, Genesis, King Crimson, die man ganz gerne dem Musiklehrer vorspielte, um zu zeigen, dass auch Rockmusiker was auf dem Kasten haben, hatten in eine zugebenermaßem reizvolle Sackgasse geführt. Die Wandlung von Genesis zu einer Mainstream-Rockband, bei der schließlich der Ex-Drummer und Backgroundsänger Phil Collins den Ton angab, der dann auch erfolgreich auf Solo-Pfaden wandelte, ist bezeichnend für die Domestizierung, man könnte auch sagen Hausfrau-isierung der Rock- und Popmusik in den 80ern.
Ich weiß, man kann und soll nicht alles über einen Kamm scheren. Es wurde auch noch gute Musik gemacht, u.a von einem Michael Jackson, der sich selbst noch einigermaßen ähnlich sah. Es geht hier um die Grundrichtung. Helmut Kohl wurde schließlich von nicht einmal fünfzig Prozent der Bevölkerung gewählt und drückte trotzdem einer Epoche den Stempel auf.
Nena, die treudoofe Vorsängerin der ohnehin etwas infantilen Neuen Deutschen Welle, ist die Verkörperung des damals herrschenden Zeitgeistes der Kohl-Ära, ein bisschen verträumt, ein bisschen friedensbewegt, ein bisschen öko (mit wild sprießenden Achselhaaren in der Zeit des Waldsterbens). Mit kieksender Jungmädchenstimme sang sie die verblasene Pazifistenhymne der 80er Jahre („99 Luftballons, auf ihrem Weg zum Horizont,/hielt man für Ufos aus dem All, / darum schickte ein General/´ne Fliegerstaffel hinterher“). Der Text war zwar der reinste Blödsinn, aber halt irgendwie politisch voll korrekt. Die großen politischen Utopien hatten abgedankt, aber „irgendwie, irgendwo, irgendwann“(Nena) würde schon alles gut werden.
Michael Endes „Unendliche Geschichte“ entwickelte sich zum Bestseller, eine heute kaum noch lesbare Kitschorgie, die eine ganze Reihe ungenießbarer Fantasyromane nach sich zog. Zur Verfilmung des Buches sang ein gewisser Limahl nach der Musik von Giorgo Moroder den Titelsong „Neverending Story“, einen Heuler, den man nicht einmal seinem Hund vorsetzen mag. Die 80er-Jahre, die glücklicherweise keine unendliche Geschichte waren, mündeten in einer sanften Revolution - dem weitgehend unblutigen Niedergang des Ostblocks - , die sich die saturierten Traumtänzer der westlichen Wohlstandsgesellschaft nicht hatten träumen lassen.
Mit den 80ern ist es wie mit der DDR, an der manche nachträglich auch viel Gutes finden. Es ist schön, dass es vorbei ist.

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