Karlsruhe muss sparen. Nach den Jahren der meist mit großer Gemeinderatsmehrheit beschlossenen Groß- und Prestigeprojekte sollen nun kleinere Brötchen gebacken werden und insbesondere an den Brosamen soll eingespart werden.
Gut 54 Millionen Euro gibt Karlsruhe jährlich für die Kultur aus. Davon über 83 Prozent für Staatstheater und ZKM, deren Gürtel bereits im vergangenen Jahr schon ein Löchlein, sprich ein knappes Prozent enger geschnallt wurden. Für alle anderen mit "sogenannten freiwilligen Leistungen" Bedachten soll es im nächsten Haushalt pauschal anderthalb Löchlein, sprich Prozentpunkte enger werden. Das Einsparpotential scheint dabei dennoch überschaubar, denn von den etwas über drei Millionen Euro, die die freien Träger, Kulturvereine, Privattheater, Chöre und Kunstvereine erhalten, lassen sich auf diesem Wege lediglich etwa 45.000 Euro auspressen, um die strukturellen Defizite des Karlsruher Haushalts abzumildern.
Hatten die Einrichtungen des Karlsruher Kulturrings, die mit mehr als 2000 Veranstaltungen weit über 300.000 Besucherinnen und Besucher jährlich beglücken, zuletzt 2016 noch "maßvolle Einsparungen" unter der Voraussetzung, dass "alle Kultureinrichtungen gleich behandelt werden" mitgetragen, so scheint dies 2023 nicht mehr in Aussicht. Denn was "Peanuts" für den Gesamthaushalt zu sein scheinen, bedeutet eine existenzielle Bedrohung für nicht wenige Einrichtungen. Von den von der Kulturamtsleiterin Dominika Szope vor versammelter Kulturlandschaft erläuterten Sparplänen aufgewühlt, hatten sich das Theater Sandkorn, der die Konzerte in der Alten Hackerei veranstaltende SAU e.V. und das Filmboard spontan zur Notgemeinschaft zusammengeschlossen.
"Wir haben sehr unterschiedliche Strukturen" sagt Sandkorn-Geschäftsführerin Daniela Kreiner (Foto rechts), "aber wir stehen alle vor dem selben Problem. Denn mit jeder Kürzung stehen unsere Einrichtungen und damit die kulturelle Vielfalt der Stadt auf dem Spiel." Oliver Langewitz (Foto Mitte) vom Filmboard verweist darauf, dass seit Jahren die Zuschüsse nicht erhöht worden seien: "Uns wurde erklärt, dass die Mittel eben knapper werden, weil bei den städtischen und halbstädtischen Einrichtungen Inflation und die gestiegenen Löhne zu Buche schlügen, wir hingegen bräuchten dringend eine Anpassung der Zuschüsse an die gestiegenen Kosten."
Sie sei es leid, von ihren eh schon auf das absolute Minimum reduzierten MitarbeiterInnen hören zu müssen, dass die Löhne längst nicht mehr den Lebensunterhalt decken, sagt Kreiner: "Wir sind seit jeher gezwungen, unsere Kosten immer weiter zu reduzieren, denn ohne Dynamisierung bedeuten seit Jahrzehnten gleichbleibende Zuschüsse faktisch Jahr für Jahr eine Kürzung."
Den steigenden Finanzbedarf an die Besucherinnen und Besucher weiterzugeben sei praktisch unmöglich, findet Laura Lenfant von (Foto links) SAU e.V., die zuletzt von der Staatsministerin für Kultur, Claudia Roth, mit dem deutschen Spielstättenpreis ausgezeichnet worden war: "Auch wenn wir nach Corona in der Alten Hackerei die Eintrittspreise moderat anheben mussten, sind wir weit von realistisch kostendeckenden Preisen entfernt, die wären für unser Publikum nicht bezahlbar." Einfach ein paar Konzerte weniger zu machen, sei ebenfalls keine Lösung, so Lenfant, den damit entfielen ja die dringend benötigten Einnahmen, um laufende Kosten zu decken. Ähnlich sieht es Langewitz, der den gewohnten Umfang der beliebten Independent Days in Gefahr sieht und seine Fühler auch schon in andere Städte ausstreckt: "Karlsruhe muss entscheiden, was der Stadt die Vielfalt der Kulturszene wert ist, und ob sie damit zufrieden sein kann, am Ende nur noch ein paar wenige Tanker zu haben."
Alle drei Institution bemühen sich verstärkt um Sponsoren und private Unterstützung, doch ersetzen kann dies in Karlsruhe die öffentlichen Mittel nicht. Gemeinsam setzen die chronisch unterfinanzierten Kulturinstitutionen im Vorfeld der im Oktober anstehenden Haushaltberatungen des Gemeinderats auf Gespräche mit den PolitikerInnen, auf Solidarität der Kolleginnen und Kollegen, Verständnis bei Bürgerinnen und Bürgern und notfalls auch plakative Aktionen etwa mit dem Kulturring, die ihren Notstand veranschaulichen. Der Herbst könnte spannend werden.