Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 01.2010
Verschiedenes Herbies Cartoon

 

Meinungsmache

Bild - Meinungsmache
Wenn mich eine (zumeist) weibliche Stimme am Telefon ganz freundlich fragt, ob ich vielleicht ein wenig Zeit hätte, um an einer Umfrage teilzunehmen, dann antworte ich in der Regel „Nein“ und lege, ohne eine Erwiderung abzuwarten, den Telefonhörer auf.

Erstens mag ich nicht von wildfremden Menschen angerufen werden, selbst wenn sie über eine angenehme Stimme verfügen. Zweitens handelt es sich bei solchen Umfragen oft um getarnte Verkaufsgespräche und ich kaufe grundsätzlich nichts am Telefon. Drittens behalte ich meine Meinung, gesetzt den Fall es würde sich tatsächlich um eine Meinungsumfrage handeln, für mich und äußere sie nur, wenn mir danach ist, wie jetzt zum Beispiel. Nicht umsonst heißt es „Meine Meinung“ und nicht etwa „Deine Deinung“. Mit dieser Haltung stehe ich sicher nicht allein. Die meisten Menschen, die ich kenne, würden es genau so machen. - So stellt sich (nicht nur) für mich die Frage, wie repräsentativ und zuverlässig solche Umfragen sein können, die ja einen nicht geringen Teil des täglichen Nachrichtenaufkommens ausmachen. In der Regel kann man den Realitätsgehalt dieser Meinungsumfragen nicht feststellen. Das ist das größte Kapital der Meinungsforscher, sie behaupten mit ihren Zahlenwerken nicht nur Stimmungen und Trends, sie beeinflussen sie auch, und die einzige Möglichkeit ihnen an den Karren zu fahren, wäre selbst eine Meinungsumfrage zum selben Thema zu machen.


Aber wer kann das schon´ Nur bei Wahlen kann es passieren, dass die tatsächlichen Wahlergebnisse von den vorhergesagten deutlich abweichen, dass die staatlich organisierte Meinungsumfrage im großen Stil (und das ist ja eine Bundestagswahl) die Prognosen hinsichtlich ihres Ausgangs widerlegt. Wenn die Abweichungen so massiv sind, wie bei der Bundestagswahl vor vier Jahren dann kommen für kurze Zeit Zweifel am Sinn und Zweck von Wahlprognosen und Meinungsumfragen auf (die man übrigens auch haben könnte, wenn sie exakt das Wahlergebnis vorwegnehmen würden), aber schon ein paar Wochen später geht es wieder weiter nach dem Motto „Unser tägliches Meinungsbild gib uns heute“. Und dennoch bin ich doch wohl hoffentlich nicht der einzige, der stutzig wird, wenn der „Stern“ am 26. November vermeldet, dass nach einer Forsa-Umfrage, nur noch 19 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD wählen würden, und das ZDF gleich am nächsten Tag in seinem Politbarometer, das auf Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen basiert, die frohe Kunde hinausposaunt, dass die SPD derzeit mit 24 Prozent der Wählerstimmen rechnen könne. Ja, was denn nun´

Die SPD täte gut daran, beide Umfrageergebnisse ganz schnell zu vergessen. Eine Aufforderung, die bei Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller eigentlich überflüssig ist. Wer weiß schon noch nach einer Woche, was irgendein Meinungsforschungsinstitut über das Wahl- und Sexualverhalten, über die Ernährungs- und Freizeitgewohnheiten der Deutschen herausgefunden zu haben glaubt. Was diese Institute, von denen es eine ganze Menge gibt, liefern sind Zeit- und Zeilenfüller für die Medien, aufgeplusterte Null-Nachrichten, ermittelt im trauten Gespräch mit mitteilsamen Rentnern, Frühpensionären und Hartz IV-Empfängern, denen es an vielem mangeln mag, nur nicht an Zeit. Mir selbst ist meine Zeit und mein Atem zu kostbar, um sie an eine Meinungsblase zu verschwenden, die nach einem Tag schon wieder geplatzt ist. Wenn die Fernsehnachrichten mit den Ergebnissen von Meinungsumfragen gefüllt oder gar mit selbstgefertigten Straßenumfragen gestreckt werden, dann kann man getrost den Ausschaltknopf betätigen – im sicheren Gefühl, dass anscheinend nicht viel von Bedeutung (d.h. von Nachrichtenwert) passiert ist in der Welt. Ohnehin scheinen die Gespräche mit den kleinen Leuten von der Strasse, die vor laufender Kamera am liebsten ihre gutsortierten Phrasen dreschen, nur dazu erfunden worden zu sein, um Spaßvögel dazu zu animieren, Leute vor laufender Kamera der Lächerlichkeit preiszugeben.

Irgendein Dummer wird sich schon finden, wenn man sich mit Mikrofon in eine Fußgängerzone stellt, wie einst Wigald Boning mit der gebenedeiten Frage: „Der neue Bundespräsident ist heterosexuell. Wie finden sie das´“ Aber auch aus solchen Scherzen ist die Luft raus. Was bleibt ist die Ödnis des Vorhersehbaren. Wenn wiedermal ein Banker oder ein Konzernchef ungestraft eine Schweinerei begangen hat, dann tönt todsicher Volkesstimme mit Sätzen wie „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ oder „Am Ende bezahlt immer der kleine Mann die Zeche“. Meine Oma hätte es auch besser nicht sagen können. Solche Phrasendrescherei von der Strasse fügt sich ganz prima in das Gesamtbild, das heutzutage auch die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen bieten, inhaltsarmes Gelabber, wenig Substanz. Nicht nur dem ehemaligen Nachrichten-Moderator Ulrich Wickert stößt es bitter auf, wenn viele Berichte mit Floskeln wie „Das wird sich zeigen“ oder „Wird man sehen“ enden.

Dass Meinungsumfragen überflüssig sind wie ein Kropf, das hat sich schon gezeigt, das sieht man Tag für Tag. Meine Meinung!