Am 10. Oktober legen die Fraktionen im Karlsruher Gemeinderat ihre Haushaltsreden vor. Dabei werden sie sich auch zu geplanten Kürzungen im Kulturbereich positionieren müssen. Klappe Auf unterhielt sich mit Britta Velhagen (Bild links), die als Vorsitzende des Karlsruher Kulturrings zahlreiche freie Kultureinrichtungen und Initiativen vertritt. Außerdem blickt die Klappe Auf auf den "Spezialfall" des Kammertheaters mit Geschäftsführer Bernd Gnann (Bild rechts).
Zuletzt vor sechs Jahren standen in Karlsruhe pauschale Kulturkürzungen an. Damals hatten die Einrichtungen des Kulturrings Verständnis für die prekäre Finanzlage der Stadt aufgebracht. Nun stehen erneut Kürzungen im Raum, wie positionieren Sie sich jetzt?
Britta Velhagen: Die Lage ist ernst. Unsere jahrelang gleichbleibenden Zuschüsse sind in Anbetracht der steigenden Kosten bei Personal, Energie und Mieten de facto schon Kürzungen. Die Schere zwischen den unvermeidlichen Kosten und Zuschüssen wird immer größer. Dazu sollen jetzt noch 1,5 Prozent gekürzt werden. Das bedeutet eine ernste Schieflage für viele Einrichtungen der freien Szene, was sich in Programmeinbußen und Personalschrumpfungen niederschlagen und zum strukturellen Problem werden wird. Daher lehnen wir Kürzungen ab und fordern im Gegenzug eine Erhöhung der Zuschüsse um 10 Prozent sowie die Dynamisierung der Zuschüsse gemäß dem Verbraucherpreisindex.
Wo soll denn das Geld herkommen?
Velhagen: Das ist zunächst einmal nicht unser Problem, denn die Stadt hat sich in der Vergangenheit für die Umsetzung von diskutierbaren, städtebaulichen Großprojekten entschieden, die nun alljährlich eine Bugwelle von Folgekosten in Millionenhöhe vor sich herschieben. Diese Entscheidungen hat der Gemeinderat getroffen. Dafür soll er nun die freiwilligen Leistungen beschneiden. Dies betrifft uns unmittelbar, was insbesondere auch neue und interessante Initiativen und Projekte behindert. Die Szene ist alarmiert, weil hier Weichenstellungen für weit über den nächsten Doppelhaushalt hinaus gestellt werden. Sparen könnte man sich vielleicht die Turmbergbahnerweiterung.
Welche Reaktionen hat der Kulturring für die nächsten Wochen der Haushaltsberatungen geplant?
Velhagen: Wir wenden uns mit einem Brandbrief an den Oberbürgermeister und den Gemeinderat. Wir werden eine Petition aufsetzen und intensiv die Öffentlichkeit suchen, unsere Besucherinnen und Besucher informieren und das Gespräch mit den Entscheidenden, also den Gemeinderätinnen und -räten suchen.
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Kammertheater: Für seinen Erfolg bestraft ?
Anders als die anderen Kultureinrichtungen, die für den kommenden Gemeindehaushalt mit Kürzungen in der Höhe von 1,5 Prozent zu rechnen haben, soll es das Kammertheater besonders hart treffen. Denn wenn dem auf Komödien spezialisierten Privattheater derzeit jährlich 75.000 Euro gestrichen werden, bedeutet dies eine Kürzung von rund 18 Prozent, was die wirtschaftliche Existenz des Kammertheaters gefährde, wie es auf dessen Webseite heißt. Dies bedeute, dass die Mitarbeitenden des Theaters ihre Job, die Menschen Karlsruhes eine vielfältige Kulturinstitution und die Karlsruher Innenstadt ein belebendes Element verlören, so das Theater.
Nun gäbe es vielleicht Gründe, dem Kammertheater, das mit 420.000 Euro soviel aus dem städtischen Haushalt erhält wie keine andere freiwillig unterstützte Kultureinrichtung in Karlsruhe, größere Kürzungen anzudrohen, werden doch in vielen anderen Städten Boulevardtheater wie die privatwirtschaftlichen Kinos überhaupt nicht aus kommunalen Töpfen bezuschusst. Als Begründung wurde dem Kammertheater-Geschäftsführer Bernd Gnann (Bild rechts), wie er behauptet, allerdings erklärt, dass er mit seinem Theater ja so erfolgreich sei und so viel Publikum anziehe, dass er der städtischen Unterstützung im bisherigen Umfang gar nicht bedürfe. Er werde also für seinen Erfolg bestraft, so Gnann.
"In Baden Württemberg bekommen alle freien Theater in unserem Bereich deutlich mehr Zuschüsse. Die Komödie am Marquardt/ altes Schauspielhaus uvm.", stellt Gnann fest.
Genüsslich sarkastisch schlachtet der gewiefte Bühnen- und Fernsehschauspieler, Theaterleiter und Medienunternehmer Gnann in einem sechseinhalbminütigen Video die Argumente des Kulturamts: Das Kammertheater spiele niedrigschwellige Stücke mit viel Prominenz, wirtschafte damit sehr gut, allerdings mangle es an experimentellen Stücken aus dem Schauspielbereich. "Wir sollen mehr Stücke spielen, die fast niemand sehen möchte, sind die denn krank im Kopf?" fragt Gnann, sein Theater solle mehr experimentelle Stücke erarbeiten, "diese machen zwar die Schauspieler psychisch fertig, wenn sie spürbar keinen Erfolg und keinen Spaß mehr bei der Arbeit haben, aber dafür gibt es Zuschüsse!", so Gnann.
Die Bescheinigung der Niedrigschwelligkeit, die sich ansonsten wohl jede Kulturinstitution als erstrebenswerte Zielmarke anheftet, empfindet Gnann als Beleidigung für seine "hochgebildeten" Fördervereinsmitglieder und sein intellektuelles Publikum. So hat das Kammertheater auf change.org schon im Juli eine Petition gegen die Kürzung für das Kammertheater gestartet, die innerhalb kurzer Zeit weit mehr als 2000 Unterstützerinnen fand.