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woche der Brüderlichkeit

Miteinander gegen Judenhass

„Angst überwinden – Brücken bauen“ ist das Motto der Woche der Brüderlichkeit, zu der die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit seit 1952 alljährlich im März aufrufen. (Die Termine stehen am Ende des Textes und im Kaender.) Angst macht, wenn ausgerechnet in Deutschland Antisemitismus verstärkt sichtbar wird. So wie Ende des vergangenen Jahres, als in Berlin israelische Fahnen brannten, und antisemitische Pöbeleien sich breit machten.

Dies seien extreme Einzelfälle sagt die Historikerin und Antisemitismusforscherin Juliane Wetzel, denn der unterschwellig vorhandene Antisemitismus nehme nicht zu, sondern breche sich jetzt Bahn: "Etwas, das man früher vielleicht an den Stammtischen gesagt hat, wird jetzt - wie wir das ja erlebt haben - auch lauthals auf der Straße geäußert." Besonders im Internet werde Antisemitismus sichtbar.

Brücken bauen mag eine Strategie sein, Gräben und Ängste zu überwinden. Doch auch unter den Antisemiten werden Bündnisse geschmiedet: Querfronten zwischen Linken, Rechtsextremen und Salafisten etwa, zwischen Putinverstehern, Iranlobbyisten und Verschwörungstheoretikern, die sich in allem uneins zu sein scheinen, außer in ihrer „Israelkritik“, die sich nicht vom Judenhass abgrenzen lässt.

Wenn auch Berlin ein Brennpunkt sein mag, so gibt es antisemitische Übergriffe, Äußerungen und Ansichten nicht nur in der von Gegensätzlichkeiten geprägten Hauptstadt. In den Schulen im liberalen Baden-Württemberg ist „Jude“ ebenso ein beliebtes Schimpfwort wie „schwul“. Nicht nur unter muslimischen Schülern finden sich Anhänger von Verschwörungstheorien, die etwa das „Internationale Judentum“ für die Anschläge am 11. September 2001 verantwortlich machen, und zumindest als provokante Geste ist das Sympathisieren mit dem Dschihad und dem Schicksal des Märtyertums in Klassenzimmern keine Seltenheit.

„Keine Schule will mit ihrem Namen im Zusammenhang mit antisemitistischen Vorgängen genannt werden,“ sagt Bernd Morlock, Lehrer im Karlsruher Umland, der selbst bei ansonsten recht aufklärten, etwa aus der Türkei stammenden Schülern eine starke Tendenz zum Hass gegen Israel erfährt. Gleichzeitig fühlen sich viele Lehrer in diesem Zusammenhang wenig berufen, einer solchen Haltung entgegenzutreten, so Morlock: „Auf das Thema Israel angesprochen, kommen von vielen Kollegen erschreckend unreflektierte Reaktionen. Wer modern und progressiv sein will, ist in der Regel gegen Israel eingestellt.“ Der Studiendirektor engagiert sich im Vorstand des Deutsch-Israelischen Freundeskreises im Stadt- und Landkreis Karlsruhe, der neben öffentlichen monatlichen Veranstaltungen auch Seminare für Lehrerinnen und Multiplikatoren in Vereins- und Jugendarbeit anbietet. So gibt es am 16. März im Rahmen der Aktion „Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums in Karlsruhe ein Tagesseminar über „Die israelische Demokratie und den Nahost-Konflikt“ (kostenlose Anmeldung bis 2. März über www.difkarlsruhe.org).

Nur in der umfassenden Information besteht die Chance, berechtigte Kritik von unterschwelligen Ressentiments zu trennen. Dass dies freilich nicht in jedermanns Sinn ist, musste Morlock bei einer früheren Veranstaltung erfahren, als er den Anruf eines Mitarbeiters am Heidelberger Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients erhielt und übelste Vorwürfe über sich ergehen lassen musste, er organisiere „zionistische Propaganda“.

Antisemitismus sei eine der ältesten Kontinuitäten gerade europäischer Geschichte, und neben dem Nationalismus, mit dem er traditionell in wechselseitiger Verstärkung auftrete, eine der gefährlichen Integrationsideologien, so der Historiker Rolf-Ulrich Kunze. Es sei eine ganz gefährliche Einstellung zu denken, dass Deutschland durch die Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus gegen jede Form der Judenfeindschaft immun geworden sei. Nur in der persönlichen Begegnung von Nichtjuden mit Juden, in der persönlichen Empathie von Mensch zu Mensch sieht der Professor für Neue und Neueste Geschichte am KIT eine Gegenstrategie gegen die latent fortwährenden Ressentiments. „Es ist für uns unglaublich wichtig, unmittelbar mit Menschen zu tun zu bekommen, deren Großeltern und Urgroßeltern der Vernichtung zum Opfer gefallen sind,“ sagt der Wissenschaftler, der aus diesem Grund Veranstaltungen wie der Woche der Brüderlichkeit eine immer größer werdende Wichtigkeit beimisst: „Dabei ist aber auch nötig, dass wir die Pluralisierung unserer Gesellschaft anerkennen und damit auch den Adressatenkreis unserer Formen von historisch politischer Bildung erweitern. Denn die Annahme der Verantwortung für den nationalsozialistischen Zivilisationsbruch ist eine Grundlage für unser Zusammenleben, und das gilt für jeden, der hier leben möchte.“


Woche der Brüderlichkeit

Eröffnet wird die Woche der Brüderlichkeit am Sonntag, 18. März, um 19 Uhr im Rathaus am Karlsruher Marktplatz. Gastredner ist der Regensburger Theologe Heinz-Günther Schöttler, musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung vom israelisch-italienischen Duo BaraZìk.

Am 20. folgt in der Badischen Landesbibliothek die Wiederaufnahme einer Lesung über die mit 43 Jahren verwitwete Jüdin Glückel von Hameln, die an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert in Tagebüchern ihre packende Lebensgeschichte erzählte. Aufführungen des Badischen Staatstheaters darunter der gerade für die International Opera Awards nominierten Oper „Wahnfried“ am 23. sowie eine Synagogenführung zum Abschluss der Woche am Sonntag, 25., um 11 Uhr komplettieren das Programm.





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