Vor nicht allzu langer Zeit gab es in Deutschland Bestrebungen, die Bevölkerung vor ausländischen Einflüssen - beispielsweise vor Jazz und Swingtanz - zu schützen.„Das NS-Regime bekämpfte alles „Artfremde“ in der Kunst und förderte eine „sittliche Staats- und Kulturidee“. (Arnulf Scriba).
Wir haben uns da schon weiter entwickelt: Heutzutage wird die kulturelle Aneignung als Totschlagargument benutzt, um alles „Nichtdeutsche“ zu verbannen. Da lädt die „Fridays For Future“- Bewegung eine Sängerin aus, weil diese ihre Haare zu Dreadlocks verfilzt hatte und sie keine Jamaikanerin ist. Die BUGA in Mannheim stoppte den Auftritt einer Seniorinnen- Gruppe, weil diese in ihrer Show auf der Bühne Sombreros und Kimonos tragen wollten. Angeblich zu klischeehaft und es seien nun mal keine Mexikanerinnen oder Japanerinnen. Werden wir demnächst Kampfeinheiten nach Japan oder in die USA schicken, um auf den dortigen Oktoberfesten den Gästen ihre Lederhose oder Dirndl auszuziehen? Übrigens: In Bern wurde ein Konzert der Band Lauwarm abgebrochen, weil sich einige Besucher daran störten, dass sie jamaikanische Musik spielte. Muss jetzt auch das Tollhaus Gruppen ausladen?
Auf eine Reihe von Absurditäten bei der Skandalisierung der kulturellen Aneignungen weist die Ethnologin Prof. Susanne Schröter hin: "Fußball dürfte dann nur von Engländern, klassische Musik nur von Europäern gespielt und Blue Jeans nur von Amerikanern getragen werden. In letzter Konsequenz dürften auch technische Errungenschaften und Konsumgüter jeglicher Art nur in den Ländern genutzt werden, die sie entwickelt haben.“ Außerdem stellt sie fest:
„Um es auf den Punkt zu bringen, ist die gesamte Menschheitsgeschichte eine Geschichte kultureller Aneignungen, ohne die es keine Entwicklung gegeben hätte... In einer Welt, die allein durch die sich beschleunigende Globalisierung immer vielfältiger wird, ist kulturelle Aneignung wohl die wichtigste Kulturtechnik, die ein friedliches Zusammenwachsen möglich macht.“
Was soll s: Die Freiheit wird immer weiter eingeschränkt, die Humorlosigkeit nimmt zu, Unfähigkeit ist kein Makel mehr und die Moralapostel haben Hochkonjunktur - einfach trostlos…..
Doch halt, ein kleiner Hoffnungsschimmer ist in Sicht: Es ist das wunderbare soziokulturelle Kommunikationsbiotop, genannt „Biergarten“. Bei einem frisch gezapften, kühlen Bier, zusammen mit Andreas, Uwe, Gerhard, Ilse, Petra, oder Max Mustermann zu trinken, das lässt die Welt schon wieder viel freundlicher aussehen. Zum Wohl! -Giovanni Enrico