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Musik jazz, Blues

 

Der Jazzclub wird 50

Als 1945 der Krieg vorbei war, zog der Jazz als „Sound der Freiheit“ viele jüngere Menschen in ihren Bann. Eine entscheidende Rolle spielten damals der Rundfunk und Journalisten wie der „Jazzpapst“ Joachim E. Berendt mit ihren regelmäßigen Sendungen. Für andere blieb der in der Nazizeit als „entartete Kunst“ gebranntmarkte Musik eine „minderwertige Negermusik“. Schon kurz nach Kriegsende Jahren sind auch in Karlsruhe erste Aktivitäten in Sachen Jazz belegt, die vielfach in der Lessingstraße kulminierten, wo das konspirative Flair des nächtlichen Jazzkellers gepflegt wurde. Bis zur offiziellen Gründung des Karlsruher Jazzclubs sollte es vom Kriegsende ein knappes Vierteljahrhundert dauern, seit 50 Jahren gibt nun einen fast regelmäßigen Konzertbetrieb des Jazzclub Karlsruhe, wie der Verein 1969 schlicht benannt wurde.
Wenn der Club momentan noch ohne ein eigenes Clublokal auskommen muss und vorübergehend im Jubez konzertiert, ist das symptomatisch für einen Verein, der in fünf Jahrzehnten das Wandern zu seinem unfreiwilligen Hobby machte. Lessingstraße, Pub in der Ingenieurschule, Café Carmen, Apfelkeller, Postwirtkeller, Schlachthofgaststätte und Moniger-Gastwirtschaft waren die ersten, teilweise nur wenige Monate dauernden Stationen, die der Jazzclub in den ersten Jahrzehnten absolvierte, ehe mit dem Einzug ins Jubez Mitte der 80er Jahre eine lange stabile Phase begann, in der der Club zu großer Blüte und internationaler Bekanntheit kam.
Schon um 1980, als der Club erstmals in der Schlachthofgaststätte untergekommen war, gelang einem jungen Programmteam um Gerd Fink und Stefan Meyner eine avantgardistisches Weltstadt-Programm, bei dem mit Musikern wie Dave Holland, Anthony Braxton, Sam Rivers, James Blood Ulmer, Steve Lazy, Archie Shepp und vielen anderen unter dem Label Creative Music Today schier alle, die in der zeitgenössischen New Yorker Jazzszene Rang und Namen, in Karlsruhe Station machten. Ein damals horrend niedriger Dollarkurs half dabei und machte gleichzeitig den deutschen Jazzern das Leben schwer, weil sie mit „vernünftigen Gagen“ kaum gegen amerikanische Stars „anstinken“ konnten.

Ab Mitte der 80er festigte der Club seinen Ruf, und das Triumvirat hieß damals Bernd Henkel, Hanskarl Löffler und Rudolf Theilmann. Während der aus Schweinfurt beruflich nach Karlsruhe gekommene Jazzfan Henkel als Vorsitzender die Beziehungen des vormaligen Underdogs Jazzclubs zu Stadtverwaltung und Lokalpolitik mit großem Geschick verbesserte und sich landesweit um die gesellschaftliche und pekuniäre Anerkennung des Jazz und seiner Protagonisten verdient machte, hatte Rudolf Theilmann freie Hand, ein Programm zu gestalten, wie es es in Qualität und Dichte in keiner vergleichbaren deutschen Großstadt gegeben hatte. Auf Henkel folgte noch im alten Jahrtausend der Übergang auf die Vorsitzende Elke Wiedemann und 2007 der Auszug aus dem Jubez auf den Alten Schlachthof, was den Club wieder in die problematische Abhängigkeit vom Wohlwollen eines Wirtes brachte. Die Folgen sind bekannt, erst Ende im Spätjahr 2020 ist derzeit damit zu rechnen, dass der Jazzclub seine dauerhaften Räume im früheren Kurbel-Kino in der Kaiserpassage beziehen kann.

Das Jazzfestival

„Für uns bedeutet das 50-Jährige viel Verantwortung gegenüber der Historie des Vereins und eine große Herausforderung, dieses Erbe in Zeiten fortzuführen, in denen der Jazz längst nicht mehr ein Alleinstellungsmerkmal des Jazzclubs geworden ist“, sagt Niklas Braun(Foto) der als Jazzclub-Vorsitzender auf Elke Wiedemann folgte. Zum 50-Jährigen soll ein Buch zur Geschichte erscheinen, ab dem Herbst sollen eine ausgedehnte Kooperation mit zahlreichen befreundeten Spielstätten starten und das jährliche Jazzfestival eine besonders hochkarätige Ausgabe erfahren. Los geht es am Mittwoch, 16. Oktober, im Tollhaus mit dem amerikanischen Liebman/Brecker/Copland Quintet (siehe Tagestipp) und am 17. im Jubez mit einem Jazz-Discovery-Abend, an dem man drei spannende, junge Formationen entdecken kann. Am 18. und 19. Oktober zieht das Jazzfestival dann ins ZKM, wo am 18. zwei spannende, vielfach mit Preisen bedachten Jazzformationen aus Deutschland spielen. Die Berliner Formation Max Andrzejewskis Hütte präsentiert ihre hochgepriesene Hommage an die britische Musikerlegende Robert Wyatt und anschließend kommt das auch international zu den herausragenden Vertretern des europäischen Jazz zählende Pablo Held Trio zu einem längst überfälligen Auftritt nach Karlsruhe.
Am Festivalsamstag gibt es dann im ZKM gleich drei Bühnen und mit der amerikanischen Sängerin und Tochter der Jazzikone DeeDee Bridgewater China Moses ein klares Zugpferd. Die charismatische Sängerin mit der warmen und erstaunlich wandelbaren Altstimme verspricht in ihren Konzerten ein funkelndes Kaleidoskop, bei dem Jazz, Soul, R&B, Blues und Pop zu einem vielseitigen Ganzen verschmelzen. Die KONS Bigband entführt im ZKM-Foyer mit dem Rat-Pack-Programm in die whiskygeschwängerte Atmosphäre eines 50er-Jahre-Nachtclubs, Helga Plankensteiner & Plankton bieten im Vortragssaal einen augenzwinkernden Ritt durch die stilistischen Mühlen des Jazz, Martin Meixners Matchtape groovt mit Joo Kraus im ZKM Foyer und das Quintett Pilgrim um den Züricher Tenorsaxofonisten Christoph Irniger verspricht im Medientheater eine aufregende, unkonventionelle Musik voll Abenteuerlust.

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