Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 02.2015
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Siegfried Kreiner: Theater ist eine Sinnsuche

„Das ist kein Job, sondern eine Überzeugung“, betont Siegfried Kreiner, der seit 1956 mit dem von im gegründeten Sandkorn-Theater Karlsruher Theatergeschichte schreibt. Ruhestand kann es für einen Theaterbesessenen wie Kreiner kaum geben, selbst wenn er in diesem Monat 75 Jahre alt wird.

Über ein halbes Jahrhundert stand er selbst auf der Bühne eines Ensembles, das in den späten 60er und 70er Jahren mit kritischen Stücken als Bürgerschreck-Theater aus dem Gemeindekeller heraus für Furore sorgte und seither einen starken Fokus auf das junge Publikum richtet. Dafür hat nicht zuletzt Kreiner selbst gesorgt, der als Pädagoge im Schuldienst, als Hochschullehrer, als Psychologe, Schauspieler, Workshopleiter und Regisseur sein Engagement immer mit einem gesellschaftlichen Bildungsauftrag verbindet. Sein Einfallsreichtum kennt dabei kaum Grenzen und auch seinen Wirkungskreis hat er lange schon weit über Karlsruhe und Deutschland hinaus erweitert. War er anfangs mit seinem Theater in die Welt gereist, so ließ er sich bald auch selbst als Dozent, Berater und Organisator ins Ausland bitten. Besonders zu Georgien, wo er jungen Studierenden Theater- und Literaturwissenschaft nach 1945 nahebringt, hat er über lange Jahre intensive Beziehungen geknüpft. Hier berief man den Karlsruher Theatermacher zum Professor und verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. In der Heimat hingegen teilte Kreiner bisweilen auch das Schicksal des ungeliebten Propheten im eigenen Kreis, denn zur Stromlinienform hat sich der Bartträger nicht schleifen lassen, und er vermied es stets, es sich und seinem Umfeld allzu bequem werden zu lassen. Den Blick zurück tauscht er lieber gegen den Blick nach vorn. Aus dem Alltagsbetrieb seines Hauses in der Kaiserallee 11 zieht er sich seit Jahren schrittweise zurück, doch ohne das Theater ist einer wie Siegfried Kreiner nicht denkbar. So lange wie er ist in der Karlsruher Kulturlandschaft an prägender Stelle jedenfalls kein anderer aktiv. Glückwunsch!

Worauf vor allem gründet sich Ihre Begeisterung für das Theater?

Siegfried Kreiner: Wer einmal Theaterluft geschnuppert hat, der lässt in der Regel kaum mehr los. Hier mache ich Erfahrungen, die in dieser Dichte und Tiefe im richtigen Leben nicht zu haben sind. Im Grunde ist Theater eine Sinnsuche und das macht die Faszination aus, die ich meinen Studenten, egal ob in Tiflis oder in Karlsruhe versuche weiterzugeben.

Was betrachten Sie im Rückblick als ihren größten Erfolg?

Kreiner: Schwierig zu sagen, aber da ist unser Weihnachtskabarett, das ich mittlerweile seit über 50 Jahren mache. Das ist ein sehr politisches Kabarett. Es braucht keinen Titel und heißt nur Weihnachtskabarett, weil wir es immer vom ersten Advent bis zum 6. Januar spielen. Bereits im September fragen die Leute danach und das freut mich sehr, dass es über all die Jahre beim Publikum so angenommen wird.
Aber es gibt natürlich auch verschiedene andere Inszenierungen, die sehr erfolgreich waren. So habe ich über 500 Mal und in den verschiedensten Ländern Peter Handkes „Das Mündel will Vormund sein“ gespielt. Das ist eine Geschichte, die mich immer wieder packt und denken lässt, vielleicht könnte man es doch noch einmal probieren.

Was hat Sie in den vergangenen Jahren am meisten geärgert?

Kreiner: Das sind vor allem die umfangreichen Verwaltungsarbeiten, die man als Theaterleiter zu erledigen hat. Alle zwei Jahre muss man zu den städtischen Haushaltsberatungen immer wieder neu ansetzen und seine Existenzberechtigung beweisen, das hat mich bisweilen schon zum heiligen Zorn erschüttert.

Die Theaterlandschaft in Deutschland wird durch ihr System der städtischen und nationalen Bühnen weltweit als einzigartig angesehen. Wie sehen Sie im Vergleich dazu die Lage der freien Theater und Ensembles?

Kreiner: Da kann ich nur für Baden-Württemberg sprechen, wo ich die Szene gut kenne, weil ich ja auch zehn Jahre lang Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Kleintheater war, die sich heute Privattheater nennen. Ich finde die Szene großartig, weil sich da so viel tut. Hier wird an der Front den Menschen das Theater ganz nahe gebracht. Und dies ohne dass diese Theater viel Geld hätten.

Sie haben einst Autoren wie Vaclav Havel, Slawomir Mrozek und Dario Fo in Deutschland mit an erster Stelle auf die Bühne gebracht. Gibt es heute junge Dramatiker, die sie begeistern, und die sie gerne auf die Bühne bringen würden?

Kreiner: Mit Havel verband mich so etwas wie eine persönliche Freundschaft und wir haben damals Stücke durch den Eisernen Vorhang geschmuggelt. Auch mit Dario Fo hatte ich persönlichen Kontakt. An gegenwärtigen Autoren fallen mir aus dem Stand heraus Lutz Hübner und Moritz Netenjakob ein, die mich begeistern. Von beiden haben wir ja auch Stücke im Repertoire.