Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 02.2015
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Harald Hurst

Zum 70.Geburtstag

Wenn's grad net so schee war, war's wenigschdens lehrreich.

"Herrschafts!", wird es Harald Hurst wohl am 29. Januar bei morgendlichen Blick in den Spiegel entfahren. Dann wird er nämlich 70 Jahre alt. Womöglich wird er kurz Rückschau halten: "S' war doch ganz ordentlich. Wenn's grad net so schee war, war's wenigschdens lehrreich. Unn e Weile dät ich den herrliche Zirkus scho noch mitmache."


Bleib g'sund und schaffig

Über Harald wurde viel geschrieben, seine Bücher wurden im sechsstelligen Bereich verkauft. Die Badener lieben ihn, "ihren" Dichter, der rechtzeitig zu eben diesem runden Geburtstag nach sechs Jahren ein neues Buch im neuen Verlag publiziert. Einige der Fans kennen auch Details seines Lebenslaufs. Beispielsweise, dass er ohne Vater aufwuchs, als Teenager zur See fuhr und dort keinen singenden Freddy Quinn traf, sondern die Schnauze poliert bekam von seinen wenig feinsinnigen Mitmatrosen, nämlich weil der sensible Junge Tagebuch schrieb. Oder dass er nur knapp Abitur und Lehramtsstudium packte und zeitweise in einem Zelt am Baggersee oder in einer dubiosen WG in Weingarten wohnte, unter anderem zusammen mit einer Prostituierten, die nachts von der Arbeit kam und der er dann mit einem Fön die durchgefrorenen Füße wärmte.

Fast wäre er auf die schiefe Bahn geraten, doch dann fingen die Badener an, seine wunderbaren Texte zu entdecken und Bücher zu kaufen, 1981 erschien sein erstes Buch "Lottokönig Paul" in einem kleinen Verlag. Und die Schwaben verpassten ihm 1993 den Thaddäus-Troll-Preis als höchste Würdigung seiner Dichtkunst. Der Rest ist Geschichte und Kult, vor allem seine stets ausverkauften Auftritte mit Gunzi Heil, früher auch mit Kuno Bärenbold und Axel Fischer. Beide Freunde sind früh gestorben. Seine erste Begegnung mit dem Tod machte Harald schon als kleiner Stöpsel: Sein geliebter "Weingroßvater Ludwig" schnellte eines Tages am Waschbecken beim Zähneputzen in die Senkrechte, erlitt einen Herzstillstand und stürzte dem Bub, der hinter ihm stand, auf den Fuß, weshalb er zur Beerdigung des Großvaters humpelte. Alle Höhen und Tiefen des Lebens hat Harald durchmessen, zuletzt waren es zum Glück überwiegend Höhen - sonst würde er sich wahrscheinlich auf's Altenteil zurückziehen und nicht mehr schreiben. Stattdessen ist er produktiv wie lange nicht mehr.

Für mich ist Harald ein sanfter, kluger Freund, der nicht nur stets meine Manuskripte Korrektur liest. Unzählige Stunden habe ich mit ihm Wein trinkend verbracht und mich mit ihm über den Zirkus des Lebens und Sterbens unterhalten oder über diesen seltsamen Beruf des "freien" Schriftstellers. Es sind die schönsten und besten Gespräche gewesen, an die ich mich überhaupt erinnere.

Harald ist ein stiller, nachdenklicher Mensch, der den runden Geburtstag mit seiner Familie und seinem bis dahin wohl gerade neu geborenen ersten Enkel verbringen wird - weit weg von Karlsruhe. Herzlichen und doppelten Glückwunsch also, lieber Harald, bleib g'sund und schaffig. Oder um Dich zu zitieren (aus dem Gedicht "Salut Schtrossburg"): "...ich wünsch mer nur, ich kann bei dir/ noch manchen katzefaule sommerdag versitze/ im ahornschatte an deim mittagsgrüne bach/ mit de chantal, de melanie, mit ainre/ die i nimme waiß un nimme sieh/ des sommermenschelebe spüre bis in/ d'fingernägelfußzehspitze." - Matthias Kehle


Wer hätt' des gedenkt

Ein einziges Mal sind wir uns auf Augenhöhe begegnet, quasi von Dichter zu Dichter. Im ersten „Karlsruher Lesebuch“, das 1980 im kurzlebigen FächerVerlag erschienen ist, standen Texte von Harald Hurst und von mir in Gesellschaft von 23 anderen Karlsruher Autoren, von denen mittlerweile manche vergessen oder auch andere Wege gegangen sind. Auch ich habe das literarische Schreiben bald darauf sein lassen, der Drang mich mit Gedichten und Geschichten zu verewigen, war nicht groß genug, es reichte mir und reicht mir noch immer, mich als Leser und Journalist mit den Texten anderer zu beschäftigen.

Für Harald Hurst, der schon damals, noch ohne eigene Buchveröffentlichung, auf dem besten Weg war, der Publikumsliebling der Karlsruher Literaturszene zu werden, markierte es den Beginn einer großen Karriere im freilich überschaubaren Rahmen des badischen Sprachraums. Er hat den Brotberuf Lehrer sausen lassen und ist freier Schriftsteller geworden. So e Glück!

Seit damals habe ich ihn immer wieder getroffen, persönlich und beruflich, habe seine Bücher gelesen und besprochen immer mit dem leisen Unbehagen, dass es mir, wie anderen Rezensenten auch, nie ganz gelingen wird, seinen Qualitäten gerecht zu werden. Als Unterhalter und Humorist sieht er sich selbst in aller Bescheidenheit, und wer ihn bei einer Lesung erlebt, weiß, dass da was wahres dran ist - mir ist das zu kurz gegriffen. In seinen besten Geschichten erweist er sich als lebenskluger Nachfolger eines Johann Peter Hebel oder auch eines Kurt Tucholsky, in seinen Gedichten, von denen es zu wenige gibt, als badischer Nachkomme eines Jacques Prevert und Georges Brassens. Nur um mal ein paar Bezugsgrößen zu nennen. Das juckt die meisten nicht, die sich bei seinen Lesungen einen schönen Abend machen und auch da lachen, wo eigentlich sie selbst gemeint sind, wenn er mal wieder auf seine unnachahmliche Art Konsumgeilheit, Lifestyle-Getue und Handygequatsche aufs Korn nimmt.

Jetzt wird er 70, obwohl er einen Lebenswandel geführt hat, wie er nicht in „Men's Health“ steht, mit Rauchen, Trinken, deftigen Essen. „Alles mache könne, aber nix müsse“, hat er mal als Lebensmaxime formuliert und noch hinzugefügt: „Mir fehlt viel net.“ Du lieber Harald würdest aber vielen fehlen, wenn es dich nicht mehr gäbe.. 70 Jahre und immer noch Badens Beschter, mein lieber Scholli, wer hätt' des gedenkt damals 1980!
- Peter Kohl


> Harald Hurst liest: Fr 6. Februar um 20 Uhr, Stadthalle Bürgersaal, Ettlingen, Friedrichstr. 14.

> Harald Hurst zum Lesen: Mol gugge. Geschichten und Gedichte, 200 Seiten, 16,90 €, Silberburg-Verlag

Stadthalle Ettlingen

Friedrichstraße

76275 Ettlingen

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