Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 09.2009
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Ausgezeichnete Helmholtz-Musik

Stolz und Enttäuschung

Seit 1971 bietet das Karlsruher Helmholtz-Gymnasium als eines von mittlerweile 30 Schulen im Land den Musikzug an, der jungen MusikerInnen auf dem Weg zum Abitur eine besondere Förderung bietet. Aus zahlreichen Talenten wurden hier Stars in Klassik oder Jazz, was Helmholtz-Absolventen wie Pianist Christian Zacharias, die Trompeter Reinhold Friedrich und Thomas Siffling oder der Bariton Andreas Reibenspies belegen. Doch nicht nur für spätere BerufsmusikerInnen ist das Musikgymnasium interessant, bei dem „Eliten“-Bildung in die Breitenförderung eingebunden ist. Am 21.9. wird das Helmholtz-Gymnasium in Berlin als Bundessieger des von der Kulturstiftung der Länder und der Deutschen Bank Stiftung ausgerufenen Wettbewerbs „Kinder zum Olymp“ geehrt. Angesichts der aktuellen Diskussion um ein von der Stadt Karlsruhe gewünschtes Musikgymnasium mit Internat zur gezielten Förderung baden-württembergischer Spitzentalente fühlt sich die Schule an der Kaiserallee allerdings ausgebootet.

„Die vier Elemente“ heißt die von vier Helmholtz-Schülerinnen und -Schülern geschaffene Komposition für Chor und zwei Solisten, die in der Hauptstadt als „alters- und schulklassenübergreifender Musikprojekt“ ausgezeichnet wird (das Foto zeigt die Scheckübergabe vor den Ferien). Das Stück war in der von Hans-Jochen Stiefel geleiteten Arbeitsgemeinschaft „Neue Musik und Komposition“ entstanden, in Zusammenarbeit mit Philipp Vandré vom SWR-Vokalensemble, dessen Mitglieder auch die beiden Solisten stellten. Das Einbeziehen von zeitgenössischer Musik und die Förderung der Kreativität sieht Musikfachbereichsleiter Stiefel als unabdingbare Elemente der musikalischen Bildung, die er seinen SchülerInnen vermitteln will: „Man muss sich auch mit der Kunst seiner Zeit auseinandersetzen und darf sich nicht ausschließlich auf die Alten Meister konzentrieren.“

Die technische Entwicklung der Computer-Musikprogramme kommt dem Musikpädagogen dabei sehr gelegen: „Wir haben früher immer neidisch auf die Kunsterzieher geblickt, weil diese ihre Schüler sich praktisch erproben lassen können. Musizieren ist freilich im Gegensatz zu Zeichnen keine ‚Stillarbeit‘. Mit dem Computer und Kopfhörern ausgestattet freilich können die SchülerInnen heute nach der Analyse selbst eigene Möglichkeiten ausprobieren. Das nutzt nicht nur in der Beschäftigung mit zeitgenössischer Musik, sondern ist zum Beispiel auch in der Beschäftigung mit Mozart-Variationen sehr sinnvoll. Diese Möglichkeiten haben sich aber wohl bisher noch nicht so sehr herumgesprochen und werden bisher landauf, landab ausschließlich in der Beschäftigung mit Popmusik genutzt.“

So stolz Schulleiter Hugo Oettinger über den Gewinn des angesehenen Preises ist, so enttäuscht zeigt er sich über den aktuellen Verlauf der Diskussion zum Thema Musikgymnasium, das sowohl von Stadt als auch Land gewünscht wird. Schon frühzeitig hatte man sich vor Monaten mit der Karlsruher Musikhochschule zusammengesetzt, um ein gemeinsames Modell zu entwickeln, das auf der Basis der bereits bestehenden Kooperationen der beiden Einrichtungen die Integration musikalisch hochbegabter Kinder aus ganz Baden-Württemberg in den Schulunterricht des Helmholtz-Gymnasium und die Vorklassen der Hochschule vorsieht. Als im vergangenen März der Karlsruher Gemeinderat das „Musikgymnasium“ auf die Tagesordnung setzte und der Schulbeirat zum Thema tagte, wurde bald klar, dass das Kultusministerium in Person des in dieser Sache initiativen Staatsekretärs Georg Wacker an einem - auch vom konkurrierenden Standort Stuttgart gewünschten - integrativen Aufbaumodell nicht interessiert ist, und stattdessen die Neugründung eines eigenständigen Elitegymnasiums favorisiert.

An einem solchen Landesgymnasium freilich sieht Oettinger nur Nachteile. Zum einen sei es ungleich kostspieliger, ein neues Gymnasium einzurichten, als ein bestehendes nach Bedarf zu erweitern, und koste Mittel und Stellen, die später den bestehenden Schulen fehlen könnten. Zum zweiten verhelfe es hochbegabten Kindern, gerade dies zeigten die Erfahrungen mit kleinen Wunderkindern an der eigenen Schule, wesentlich zur „Bodenhaftung“, wenn sie trotz spezieller Förderung in eine ganz normale Klasse integriert seien und nicht im „Ghetto“ der Hochtalentierten in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gehemmt würden. Schließlich aber fragt sich Oettinger, ob eine spezielle Elite-Internats-Schule überhaupt diejenigen fördere, für die es eingerichtet werden solle, nämlich den Musikernachwuchs des Landes. Es sei politisch kaum denkbar, dass man den Zugang zu einer solchen Institution auf baden-württembergische Kinder begrenze und man werde bald eine Einrichtung für kleine Tasten- und Saitengenies aus aller Welt haben, unter denen die eigentlich in Blick genommene Klientel höchstens noch die zweite Geige spiele.

Auch im Karlsruher Gemeinderat teilen nicht wenige Oettingers Argumente, insbesondere die Grünen und die SPD setzen ihre Karte für ein integratives Schulmodell. Kann also gut sein, dass der neuformierte Gemeinderat in dieser Richtung seine Mehrheit gegen FDP und CDU findet, nur bleibt zu fürchten, dass das nicht viel nützen wird, wenn man das Vorhaben nicht ganz ablehnt. „Das Land richtet das Musikgymnasium ein, das Land muss sagen, wie es aussehen soll“, verkündete Oberbürgermeister Heinz Fenrich laut städtischem Amtsblatt dem Gemeinderat.