Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 01.2008
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Grünewald Austellung

Interview mit Klaus Schrenk

Matthias Grünewald, seine Technik der Grisaille-Malerei und das Thema der Passion stehen im Zentrum einer Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Sie zeigt rund 160 Werke deutscher Kunst um 1500 und führt ein Viertel des Gesamtwerks von Grünewald zusammen. Klappe Auf sprach mit Kunsthallen-Direktor Klaus Schrenk über das gemeinsam mit dem Unterlindenmuseum Colmar entwickelte deutsch-französische Ausstellungsprojekt und über die Kunsthalle. Die Fragen stellte Anja Frisch.

Die Große Landesausstellung „Grünewald und seine Zeit“ in Karlsruhe und die Ausstellung „Grünewald - Blicke auf ein Meisterwerk“ in Colmar, die die Entstehung des Isenheimer Altars in den Mittelpunkt stellt, finden zeitgleich und in bislang einzigartiger Weise einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit statt. Was gab den Anstoß zu dieser deutsch-französischen Kooperation´

Klaus Schrenk: Den Anstoß gab, dass in Colmar der Isenheimer Altar beheimatet ist und wir mit vier Tafeln und einer Zeichnung den größten Besitz an Grünewald-Tafeln in deutschem Museumsbesitz haben, und sich seit längerer Zeit die Frage der Restaurierung der Kreuztragung stellte. In diesem Zusammenhang hatten wir Kontakt mit den Kollegen in Colmar, die sich mit der Konservierung des Isenheimer Altars befassen, und eng mit der zentralen französischen Restaurierungswerkstatt in Versaille zusammenarbeiten. Als wir uns entschlossen hatten, die Grünewald-Ausstellung vorzubereiten, entstand der Gedanke eines gemeinsamen Projekts der drei großen Zentren der Grünewaldsammlungen, also auch mit dem Berliner Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, das die meisten Zeichnungen besitzt. Es konkretisierte sich die Überlegung heraus, dass es besonders schön wäre, wenn Besucher der Region aber auch jene von auswärts einen Bestand an Grünewaldwerken in Karlsruhe und Colmar zeitgleich sehen können, wie er noch nie zuvor in dieser Anzahl zusammengeführt wurde und voraussichtlich nicht wieder zusammen zu sehen sein wird. In Berlin wird im März in einer dritten Ausstellung vornehmlich das zeichnerische Werk gezeigt werden.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit´

Schrenk: Beide Seiten haben es als wunderbares Projekt angesehen, und es freut mich persönlich, dass die außergewöhnliche grenzüberschreitende Zusammenarbeit zweier Museen als Beispiel für deutsch-französische Kooperation dadurch gewürdigt wird, dass Bundespräsident Köhler und Staatspräsident Sarkozy jeweils die Schirmherrschaft über die deutsche und französische Ausstellung übernommen haben. Wir konnten auf Erfahrungen zurückgreifen, die bei der Vorbereitung der Ausstellungen zum „Spätmittelalter am Oberrhein“ in Basel, Straßburg und Karlsruhe gewonnen wurden, und die ich als vorbildlich empfunden habe. Für die beiden Grünewald-Ausstellungen beschränkte sich die Zusammenarbeit erstmals nicht auf das wissenschaftliche Gebiet, sondern es gab eine gemeinsame Werbekampagne im Elsass wie bei uns, einen gemeinsamen Flyer und Plakate, die deutlich machen, dass es sich um zwei komplexe komplementäre Ausstellungen handelt. So etwas ist nur einvernehmlich zu bewerkstelligen.

Die Kunsthalle besitzt vier Werke von Matthias Grünewald, zwölf weitere seiner Arbeiten werden als Leihgaben in der Karlsruher Ausstellung zu sehen sein, darunter seine „Kreuzigung“ aus dem Kunstmuseum Basel und seine „Beweinung Christi“ aus der Aschaffenburger Stiftskirche St. Peter und Alexander. Ihnen werden rund 140 Gemälde und Grafiken hochrangiger Künstler wie Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer, Hans Baldung Grien, Lucas Cranach und Hans Holbein gegenübergestellt. Was macht Grünewalds Einzigartigkeit unter den Künstlern seiner Epoche aus´

Schrenk: Grünewald wirkte in einer Blütezeit der Kunst im Übergang vom Spätmittelater zur Renaissance, als eine enorme Expansion des künstlerischen Schaffens einsetzte und durch die Entstehung der Druckgrafik ein wichtiger Wirtschaftszeig entstand - nicht so bei Grünewald: neben den wenigen Tafelwerken, die die Zeiten überstanden haben, gibt es lediglich 35 Zeichnungen, die ihm zugeschrieben werden. Seine große Bedeutung liegt aus unserer Sicht in der ausgesprochenen Expressivität, die er durch den unglaublichen Umgang mit Farbe erreicht, und die zu einem Kennzeichen seiner Kunst geworden ist. Grünewald gibt den Gläubigen jener Zeit Bilder, die ihnen das Mitleiden möglich machen. Dürer, Cranach und andere Zeitgenossen weiten die Programmatik ihrer Arbeiten auch auf profane Themen aus, das findet sich bei Grünewald in dieser Weise nicht. Wichtig ist es uns auch zu zeigen, wie Grünewalds Grisaille-Malerei durch die Nachahmung der Bildhauerei auf eine um 1500 einzigartige Weise zur Verlebendigung der Darstellung, beiträgt. Erstmals seit ihrer Trennung im 18. Jahrhundert werden in der Ausstellung unsere beiden Heiligen-Grisaillen des Heller-Altars wieder mit ihren im Frankfurter Städel aufbewahrten Pendants zusammengeführt.

Der französische Dichter Joris Karl Huysmans schrieb 1905, man begreife, warum Grünewalds Name nicht auf den Bestellungs- und Zahlungslisten der Kaiser und Fürsten zu finden ist: „Sein Christus der Aussätzigen hätte den höfischen Geschmack verletzt; er konnte nur von den Kranken, den Verzweifelten und den Mönchen, von den leidenden Gliedern Christi, verstanden werden“. Lässt sich die religiöse Bildsprache von Passionsdarstellungen und der spirituelle Gehalt in Grünewalds Bildern heutigen Betrachtern nahe bringen, in einer weitgehend säkularen Gesellschaft, die Schmerz und Tod ausblendet´

Schrenk: Es ist für uns hier im Hause immer wieder eine eindringliche Erfahrung und ein verblüffendes Ereignis, dass wir in der Karwoche spürbar mehr Besucher vor Grünewalds Kreuzigung finden, die auch von auswärts und aus dem Ausland kommen. Menschen suchen Zwiesprache mit diesem Meisterwerk, das in der Menschlichkeit seiner Darstellung des geschundenen Körpers des Gekreuzigten heute noch unmittelbar berührt. Es ist zu spüren, dass in der Begegnung mit Grünewalds Werken auch eine Besinnung, ein Nachdenken über den Zustand unserer Gesellschaft einsetzt und Betrachter auch zu der Frage führt, wozu Menschen heute in der Lage sind Menschen anzutun, wie wir es beispielsweise bei der Auflösung des früheren Jugoslawien miterleben mussten.