Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 07.2007
Kunst, Ausstellungen Kunst

 

Tomi Ungerer

Wenn für einen Puritaner alles Nackte schmutzig und für einen Freidenker alles Nackte vertretbar ist, dann ist der 1931 in Straßburg geborene Zeichner Tomi Ungerer ein puritanischer Freidenker.
Als Elsässer mußte er damit leben, zwischen zwei Welten zu stecken, die sich gegenseitig verneinen. Wer aber gelernt hat, am Glauben sowohl der einen als auch der anderen Seite zu zweifeln, entwickelt zwangsläufig so etwas wie "methodische Schizophrenie". Ihm bleibt nichts anderes übrig, als den Zustand der Welt, in der alles Schwindel und Komödie ist, zu parodieren: Berühmt wurden Ungerers groteske Karikaturen der sexuellen Befriedigungsmechanismen, der Verdinglichung und Technifizierung des Menschen ("Fornicon"; "Babylon") ebenso wie sein "Großes Liederbuch", sein "Heidi", illustriert im Stil eines Ludwig Richter.
Zwischen Babylon (d.h. einer Welt, in der man sich paart, zerfleischt, an seinen Perversionen verreckt) und Dornröschenschloss (d.h. einer Welt, in der man nichts anderes mehr zulässt als das Warten auf das nächste Sommermärchen) erprobt Tomi Ungerer ganz unpathetisch, wie man sein eigener entgegengesetzter Zeitgenosse sein kann: Auch in der Ausstellung der EnBW , die eine Auswahl der Werke präsentiert, die er für das elsässische Energieunternehmen Electricité de Strasbourg (ES) hergestellt hat. - FL

(Eine Welt voll Energie - Tomi Ungerer und die Elektrizität, EnBW, Durlacher Allee 93, 29.6.-23.9.2007)