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Drohende Vereinsamung wird zum größten Problem

Gespräch mit Lissi Hohnerlein vom TafF

Seit über 40 Jahren kümmert sich die basisdemokratisch strukturierte Initiative Sozpädal in Karlsruhe um wohnsitzlose Menschen. Mitte der 90er Jahre rückten dabei besonders die Frauen in den Fokus. Seit 2001 gibt es in Karlsruhe den Tagestreff für Frauen, kurz TafF, eine Begegnungsstätte, in der frau sich Austauschen, sich Ausruhen und die praktischen Dinge des täglichen Lebens erledigen, aber auch aktiv mitarbeiten kann. Lissi Hohnerlein, die während ihres Studiums vor 25 Jahren bei einem Praktikum zu Sozpädal stieß und blieb, ist eine der Initiatorinnen des TafF, betreut aber verschiedene andere Wohn- und Arbeitsprojekte des Vereins Sozialpädagogische Alternativen. Klappe Auf unterhielt sich mit ihr über ihre Arbeit.


Inwieweit hat Corona Deine Arbeit verändert?

Lissi Hohnerlein: Das hat unser aller Arbeit total verändert. Wir hatten nie geschlossen, weil uns klar war, dass wenn die Kaufhäuser, Bibliotheken und öffentlichen Räume geschlossen sind, wir geöffnet bleiben müssen. Denn plötzlich tauchten auch die Menschen auf, die ansonsten in ihren Verstecken leben. Weil wir hier ja auch Abstand halten müssen und nur 14 Frauen im Innenraum zulassen können, haben wir die ganzen Monate über den Innenhof bei jedem Wetter genutzt. Wohnungslose Frauen, die ein Dach über dem Kopf haben, weil sie in einem Hotel eine Notunterkunft haben oder sich mit Couch-Hopping durchschlagen, haben wir mit Essenspaketen versorgt, aber bei uns aufhalten durfte sich in dieser Zeit nur der harte Kern der wirklich obdachlosen Frauen.

Trifft die Pandemie arme Menschen stärker?

Hohnerlein: Auf alle Fälle, das war in der ersten Zeit schon deshalb, weil die bürgerlichen Karlsruher plötzlich die Discounter leergekauft haben und der Armutsbevölkerung häufig nichts mehr zur Verfügung stand. Als auch die Tafeln schlossen und vieles teurer wurde, das war ein großes Problem. Was soll eine alleinerziehende Frau machen, die mit Kindern in einer Obdachlosenunterkunft wohnt und es "Stay at home!" heißt? Von den Möglichkeiten des Home-Schooling sind solche Menschen abgeschnitten, wenn der Familie kein Laptop und W-LAN zur Verfügung stehen. Wir haben hier vom Smartphone aus Hausaufgaben ausgedruckt und versucht zwischen Schule und Kindern zu vermitteln.

Trifft die gegenwärtige Krise Frauen im Besonderen?

Hohnerlein: Ja, insbesondere alleinerziehende. Die haben das höchste Armutsrisiko und sind für alles zuständig, für den Unterhalt, das Bespaßen und Beschulen der Kinder und den Zusammenhalt der Familie. Und wenn dann das Geld fehlt, möglicherweise die Wohnung verloren geht, dann wird es schwierig. Obwohl es in Karlsruhe noch nicht so weit vorangeschritten ist wie in anderen Städten, gibt es hier doch zunehmend auch Investoren, die selbst in der Corona-Zeit Menschen aus ihren Wohnungen drängen. Wir beobachten das und machen die Stadt darauf aufmerksam, denn es ist unserer Pflicht, die Kommune auf Missstände hinzuweisen.

Was hast Du für Befürchtungen, wenn uns jetzt der erste Corona-Winter bevorsteht?

Hohnerlein: Unsere Angst ist, dass wir bei den steigenden Infektionszahlen und dem zunehmend kälteren Wetter, bei dem wir niemand mehr draußen versorgen können, den Kontakt zu bedürftigen Menschen verlieren. Die materielle Versorgung ist für alle gewährleistet, da mache ich mir keine Sorgen, aber die drohende Vereinsamung der Menschen wird zum größten Problem.

Was braucht Ihr, damit Ihr Eure Arbeit in diesen Zeiten fortsetzen könnt?

Hohnerlein: Wenn es wirklich wieder zu einem Lockdown kommt, brauchen wir vorübergehend größere Räume. Das Land könnte uns Räume vermitteln, die es vor einiger Zeit für Geflüchtete zur Verfügung stellte. Aber auch dann werden wir nicht zu den alten Formen zurückkehren können, mit denen wir die Menschen zusammengebracht haben. Wir hatten bei uns Weihnachtsfeiern mit 80 Frauen und 30 Kindern, das fällt jetzt erstmal weg.

Was rätst Du, wenn man helfen möchte?

Hohnerlein: Die Wohnungslosenhilfe gibt es seit über 100 Jahren. Wer helfen möchte, kann sich zum Beispiel an die Stadt Karlsruhe wenden. Sowohl bei den kirchlichen Trägern Diakonie und Caritas wie auch beim Paritätischen Wohlfahrtsverband gibt es eine ausgeprägte Ehrenamtlichenstruktur, wo man sich engagieren kann. Man kann auch gerne bei uns anfragen, ob und welche Art der Unterstützung wir brauchen können. Planloser Aktionismus allerdings hilft wenig, wie die Gabenzäune gezeigt haben, die zwar guten Willen demonstrierten, die die Betroffenen aber eher stigmatisierten als unterstützten.

Warum engagierst Du dich nicht nur für Obdachlose, sondern auch für die Sisters of Comedy?

Hohnerlein: Solange Frauen, seien es Wohnungslose oder Komikerinnen, weniger beachtet werden als die Männer, weniger verdienen und weniger gehört werden, werde ich mich dagegen einsetzen. Dabei geht es mir immer auch um Teilhabe, so sammeln wir bei der Veranstaltung Spenden für den Zonta Hilfsfonds für Frauen in Armut und ermöglichen wohnungslosen Frauen den Besuch der vergnüglichen Veranstaltung.


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