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Theater in der Orgelfabrik

Vorhang auf: Wir spielen

Auch jetzt in seinem 33sten Jahr lüftet in der Durlacher Orgelfabrik für wenige Wochen ein einzigartiges Theater seinen Vorhang, das für komödiantische und skurrile, opulente und gewitzte, bisweilen auch makabre oder nachdenkliche, stets aber für bilderreiche und atmosphärisch dichte Theaterabende steht. Die Stoffe sind meist selbstgestrickt oder auch literarisch angelehnt, immer aber von Theaterleiterin Gaby Michel ihrem Ensemble auf den Leib geschrieben. Ihr Gefährte Franco Rosa , promovierter Philosoph, führt die Regie im kollegialen Prozess mit dem über Jahre zusammengeschweißten Ensemble.

Ob es in diesem Jahr zu einer Sommertheatersaison kommen würde, stand lange auf der Kippe. Erst Mitte Juni war klar, unter welchen Auflagen im historischen Fabrikgebäude gespielt werden darf. So sitzt das auf ein Drittel reduzierte Publikum an kleinen Tischen, um die Abstandsregelung einzuhalten, und die Halle wird nicht verdunkelt, damit die Fenster geöffnet bleiben und so eine gute Belüftung gewährleistet bleibt. Gespielt wird ein Stück nach Carlo Goldonis Komödie "Der Impresario von Smyrna", die als einziger "Klassiker" in der 33-jährigen Geschichte des Theaterensembles zum wiederholten Male als Vorlage dient. "Eigentlich hatten wir ein Stück mit dem Titel Homunculus geschrieben", erzählt Michel, "das in einem Forschungslabor spielt, in dem das ganze Team aus unerfindlichen Gründen wegstirbt." Das war kein passendes Stück für den Corona-Sommer ...

Als Gaby Michel und Franco Rosa im Februar aus ihrem indischen Winterdomizil zurückgekehrt waren, fanden sie sich schnurstracks im norditalienischen Corona-Hotspot wieder: "Wir hatten uns im vergangenen Jahr ein Haus in dem Dorf gekauft, in dem Franco geboren ist", erzählt Gaby Michel. In der Lombardei herrschte Ausnahmezustand, und der war mehr als unangenehm: "Wir durften unser Haus nur in einem Umkreis von 200 Metern verlassen, man brauchte ein Zertifikat, um den nächsten Supermarkt anzusteuern, und wer nicht auf dem direkten Weg zurückkam, wurde von horrenden Strafen bedroht. Vieles wirkte wie Schikane, und man musste nur hoffen, nicht aus irgend einem Grund ein Krankenhaus aufsuchen zu müssen. Wer in diesen Tagen mit einem gebrochenen Bein ins Hospital kam, war nicht selten ein paar Tage später tot, weil er sich mit Covid angesteckt hatte", erzählt die Theaterfrau.

Die Unsicherheit, ob überhaupt gespielt werden könne, hielt sie davon ab, ein neues Stück zu schreiben und so besannen sich Rosa und Michel kurzerhand auf Goldonis Komödie über Theater im Theater, Schauspieler, ihre Intrigen, Neid, Verhandlungen und Verträge und kleine Unwahrheiten: "Der Impresario ist ein uraltes Stück aus einer ganz anderen Zeit, und trotzdem sind diese Mechanismen, die da aufgezeigt werden, auch heute im Bühnenbereich noch immer hochaktuell," sagt Michel, "Goldoni zeigt in seiner wunderbaren Komödie Menschen, die als Schauspieler ums Überleben kämpfen und darum, auftreten zu können, auch wenn es das erhoffte Geld überhaupt nicht gibt. Das ist in der aktuellen Situation hochbrisant, denn in unserem Umfeld kenne ich nur Spieler, deren Verträge gekündigt wurden, weil ja nicht gespielt werden kann, und die nun auf Hartz IV angewiesen sind.

Keiner unserer Spielerinnen und Spieler kann heute noch alleine von der Schauspielkunst leben, alle haben noch andere Jobs und Berufe." Doch auch wenn die Situation prekär zu scheinen mag, bereut es Michel niemals, einst dem vermeintlich sichereren, aber hierarchischen Staatstheaterbetrieb Adieu gesagt zu haben, um mit ihrem Theater einen ganz anderen Weg eingeschlagen zu haben. Über die aktuelle Probenarbeit mit dem neunköpfigen Ensemble begeistert sie sich: "Wir haben so viel Spaß, jeder achtet auf den anderen, wir sind alle miteinander befreundet und jeder kann jedem alles sagen, das ist eine tolle Arbeitsweise. Natürlich haben wir das aktuelle Stück auch auf Abstand inszeniert und spielen verstärkt auf alle Ebenen, da haben wir viel Glück mit der Orgelfabrik."

Keine Frage, dass sich diese Freude auch auf das Publikum übertragen wird, das sich zudem in dem so großen Raum sicher und wohl fühlen kann. -jf

Die Besetzung:
Martina Eckrich, Gabriele Michel, Ulrike Schmitt, Véronique Weber, Oliver Grimm, Rainer Haring, Sebastian Karaytug, Kumar Ramayya
, Franco Rosa, Winfried Spiegel

Infos: theaterinderorgelfabrik.de

> Vorhang auf: Wir spielen bis 26.9. jeweils Donnerstag bis Samstag, jeweils 20 Uhr

> 26.8., 2., 9., 16. und 23.9., jeweils 20 Uhr, literarische-musikalische Mittwoch-Reihe “ In der Welt der Musik”, Mittwoch-Reihe mit fünf unterschiedlichen Abenden zu Ludwig van Beethoven

> Kartenbestellung per e-mail an orgelfabrik@t-online.de oder per Post unter Theater in der Orgelfabrik e.V., Amthausstr. 19, 76227 Karlsruhe-Durlach




Orgelfabrik Durlach

Amthausstr. 17

76227 Karlsruhe

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