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Archiv: 01.2017
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Jahresrückblick 2016 (Teil II)

Bild - Jahresrückblick 2016 (Teil II)
Die schöne neue Medienwelt bringt es mit sich, dass man Menschen kennenlernt, die man gar nicht kennenlernen möchte: Sarah und Pietro Lombardi zum Beispiel. In einem hinteren Winkel meines Gedächtnisses waren sie noch vage präsent als Traumpaar, das durch die Castingshow \"Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) zusammengekommen war, einem Medienereignis von hysterischen Ausmaßen, dem ich wie viele andere nicht entgehen konnte, weil jede neue Staffel einen Schwarm von Schlagzeilen in allen, auch den vermeintlich seriösen Medien, nach sich zog. Die Gewinner sind in der Regel dann alle recht schnell in der Versenkung verschwunden. Sie sangen und strahlten einen Sommer lang, dann fielen sie zurück in das Dunkel, aus dem sie gekommen waren. Wie sollte es denn auch anders sein, wenn ein Jahr später ein neuer Superstar strahlend hell aufgehen soll, getragen von der wechselhaften Gunst des Publikums und von der Gnade Dieter Bohlens.
Pietro Lombardi und seine Sarah aber hielten sich dank ihrer als Realitysoap aufbereiteten Ehe noch einige Zeit, vermarkteten ihre Urlaubserlebnisse ebenso wie die schwere Geburt ihres gemeinsamen Kindes, das den Namen Alessio trägt. Danach musste wohl irgendwann etwas Neues kommen, um das abflauende Publikumsinteresse wieder anzuheizen und es kam der auf einen Foto dokumentierte Seitensprung Sarahs und die darauf folgende Trennung. In den kommenden Wochen zog das zerstrittene Paar mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit auf sich wie die Zerstörung Aleppos und stellte eindeutig das ohnehin undurchsichtige Geschehen in der Ukraine in den Schatten, das fast keine Sau mehr interessiert. Angeblich heimlich gedrehte Filmaufnahmen des Ehezwists, tränenreiche Bekenntnisse, gegenseitige Anklagen, Aussagen von Verwandten und Freunden lieferten Stoff für eine Trennungsshow, die auch noch weiterlief, nachdem die beiden (nicht ganz wahrheitsgemäß) bekundeten, nun wirklich nichts mehr zur Sache sagen zu wollen. Wer kann da noch unterscheiden, was Realität, was Inszenierung ist? Wahrscheinlich nicht einmal die beiden Hauptprotagonisten, die nicht die hellsten Leuchten in Gottes Lampenladen zu sein scheinen. Vielleicht sind sie auch nur Marionetten in einem Gesellschaftsspiel, das irgendwelche RTL2-Programmmacher ersonnen und in Szene gesetzt haben. Das Leben als Scripted-Reality auf \"Bild“-Niveau? Vielleicht ist es das, was vielen jungen Leute heute als Ideal vorschwebt, aber wer sich selbst zur Schiessbudenfigur macht, muss dann eben auch aushalten, mit verbalen Dreck beworfen zu werden, wie in diesem Schmierenstück die untreue Sarah, die in den diversen sozialen Medien als Schlampe, Hure, Bitch und dergleichen beschimpft wird.
Das alles weiß ich, ohne je eine einzige Sendung von bzw. über Sarah und Pietro gesehen zu haben. Mein Wissen zum Thema habe ich einzig und allein der Informationsflut entnommen, die täglich über mich hereinbricht, sobald ich morgens den Computer einschalte und mich durch die deutschsprachige Zeitungslandschaft klicke, um mich auf dem neuesten Stand über den Zustand der Welt zu bringen, Und sollte es mir tatsächlich gelingen mal an einer dieser nichtigen Schlagzeilen über das unwichtige Treiben von B- und C-Promis vorbeizugucken, so ploppt schon irgendwo auf der Webseite ein Videoclip auf, in dem mir in Wort und Bild mitgeteilt wird, was ich gar nicht wissen will. So wie die Meeresflut in ihrer elementaren Gefühls- und Wahllosigkeit alles Mögliche an den Strand schwemmt, so bringt auch die moderne Informationsflut jede Menge Müll mit sich, z.B. die brunzdoofe Geschichte von Pietro und Sarah. Zwischen Teil I und Teil II meines Jahresrückblicks sind Hildegard Hamm-Brücher und Greg Lake gestorben, Aleppo ist gefallen und Palmyra wurde unfassbarerweise von den IS-Horden zurückerobert. Was für ein Scheissjahr, das auch noch beschissen zu Ende geht. Aber Hauptsache Alessio geht es gut!