Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 07.2016
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Theater um die Löcher

Ach was war das für ein Sommer 2015! Die Sonne brannte und Karlsruhe feierte unbeschwert seinen Stadtgeburtstag. Ein Jahr später jagen wir von Regenguss zu Regenguss und die Stadt präsentiert sich in einem verkaterten Zustand. Hatte man gerade begonnen, die Baustellen mit den in luftiger Höhe schwebenden, entwurzelnten Häusern und verbogenen Lastwagen zu lieben, so scheinen sich die Gruben übers Jahr schwer vermehrt zu haben und nerven nur noch.

Schlimmer noch: Den Löchern und Tunneln, die in die Karlsruher Innenstadt gerissen wurden, folgen große Löcher im Geldbeutel der Stadt. Die U-Strab-Baustelle kommt nicht voran, die Baufirmen wollen mehr Geld, weil doch alles viel schwieriger sei als kalkuliert. Und der größte Kloß ist die immer noch andauernde Ungewissheit um die Finanzierung des Kriegstraßenumbaus, was zum Scheitern des Gesamtprojekts auf halber Strecke führen könnte.

Dass gespart werden muss, leuchtet jedem ein, auch wenn die Stadtverwaltung beteuert, dass der derzeitige „Haushaltskonsolidierungsprozess“ nichts mit der Kombi-Baustelle und den anderen Großprojekten vom Stadion bis zum Staatstheaterneubau zu tun habe. Die Not zum Sparen ergebe sich einfach aus den ungünstigen Prognosen für den Karlsruher Haushalt, in dem die laufenden Ausgaben alleine durch fixe Kosten, Personal und die Umsetzung gesetzlicher Auflagen über die erwarteten Einnahmen stiegen. Die Bürger schenken dieser Erklärung keinen Glauben und selbst Politiker und Verwaltungsangestellte wirken kaum überzeugt.

Doch egal warum, angesichts der Lage soll auch die Kultur Federn lassen. Dass sich die Kürzungen von 3,6 Prozent vergleichsweise gering ausnehmen, ist dem Kulturdezernat zu verdanken, das zunächst einmal bei den städtischen Einrichtungen, Festivals und allgemeinen Ausgaben nach Einsparpotenzialen suchte, ehe es den noch einzusparenden Fehlbetrag gleichmäßig über die gesamte Karlsruher Kulturlandschaft verteilte.

Für alle Kulturträger bedeuten Kürzungen schmerzhafte Einschnitte, doch bei den meisten herrscht überwiegend Erleichterung, dass die Sparrunde nicht schlimmer ausfiel. Auch die Zusicherung, dass von besonderen Härtefällen abgesehen alle gleich behandelt werden sollen, fördert das solidarische Verhalten aller Betroffenen. Nur einer wollte da nicht mittun.

Sparankündigungen für die Kultur gab es immer wieder. Neu ist, dass das Staatstheater und das ZKM als von Land und Stadt gemeinsam finanzierte Einrichtungen einbezogen werden. Hatte man diese früher ihres Leuchtturmcharakters und der gekoppelten Landesgelder wegen ausgespart, so scheint sich in Gesellschaft und Politik zumindest beim Sparen in den vergangenen Jahren eine Gleichwertigkeit von freier Kulturlandschaft und sogenannter Hochkultur im breiten Bewusstsein verankert zu haben.

Diese Gleichbehandlung hat für die Stadt vor allem finanzpolitischen Nutzen. Will sie bei der Kultur Geld sparen, muss sie an die „Großen“ ran, denn nur dem, der viel bekommt, kann man nennenswert wegnehmen. Für den, der viel bekommt, sind wenige Prozent freilich auch viel Geld. Insgesamt elf Millionen auf sechs Jahre inklusive der verlorenen Landesmittel verlöre das Badische Staatstheater, rechnete Intendant Peter Spuhler und schrie Zeter und Mordio. Mehr als 40 Stellen seien in Gefahr, eine der großen Sparten müssten geschlossen werden, so die Drohung, sollten die Sparpläne umgesetzt werden. Man sammelte tausende Unterschriften, und unter dem Motto „Spart`s Euch!“ demonstrierten rund 500 Menschen gegen den „Kahlschlag“. Politisch untermauerte diese Aktion die Partei der Linken, da im Gemeinderat alle anderen für das Sparpaket gestimmt hatten. Die Grünen ersparten sich kurzfristig die Peinlichkeit, gegen die eigene Entscheidung auf die Straße zu gehen.

Pünktlich vor der Demo hatte sich Spuhler mit Gemeinderäten und Oberbürgermeister Frank Mentrup zusammengesetzt, um zu erklären, dass „die kulturelle Vielfalt des Angebots in ihrer Substanz nicht zur Disposition gestellt werden dürfe und keine betriebsbedingten Kündigungen vorgenommen werden sollten“. Stattdessen wolle man realistische Einsparpotenziale für das Staatstheater definieren, was bedeuten soll, dass die Stadt unterm Strich weiterhin die gewünschte Einsparsumme aufrecht erhält und das Staatstheater nach verträglichen Wegen sucht, diese einzusparen. Andernfalls wäre ein Sparziel nicht zu erzielen, zumal die Gleichbehandlung des Staatstheater für viele der anderen Kulturträger ein Gebot der Fairness ist. Dass es viel dicker kommen kann, beweist die Goldstadt Pforzheim, die ihrem ungleich ärmeren Theater rund 8,5 Prozent der Mittel streichen will. Hier scheint das Wörtchen Kahlschlag angemessener.