Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 06.2016
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Die Kombilösung gerät in Gefahr

Unterirdisch oberirdisch

„Wir haben es immer schon gesagt, aber das hilft uns jetzt auch nichts“, sagt Johannes Honné, Vorsitzender und verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Karlsruher Gemeinderat. „Die Kombilösung wurde von ihren BefürworterInnen von Anfang an schön gerechnet. Sämtliche Risiken wurden dabei ausgeblendet. Deshalb stand die Förderfähigkeit von Anfang an auf tönernen Füßen“, heißt es in einer Mitteilung der Grünen aus dem Frühjahr 2015. Ein Jahr später erfüllt sich auch diese Befürchtung der Grünen. Während Karlsruhe mit seinem U-Strab-Projekt die empfindlichen Verkehrsadern an schier allen neuralgischen Stellen der Innenstadt operiert, hat der Bundesrechnungshof in seinem Prüfbericht an das Bundesverkehrsministerium die Förderwürdigkeit des Kriegstraßenumbaus in Zweifel gezogen und damit den stadtplanerisch interessanteren Teil der Kombilösung amputiert.

2002 hatte die Mehrheit der Karlsruher bei einem Bürgerentscheid für das doppelte Stadtumbaukonzept gestimmt, das eine Untertunnelung der Kaiserstraße für die Straßenbahnen und die Tieferlegung des Autoverkehrs in der Kriegstraße mit einem oberirdischen Boulevard mit Straßenbahn vorsieht. Die Entschärfung der autobahnartigen Durchgangsschneise Kriegstraße, die die Stadt in einen nördlichen und einen südlichen Teil trennt, soll eine Stadtentwicklung in diesem Bereich ermöglichen. Gerade die Kombination aus U-Strab und Südentwicklung hatte viele beim Bürgerentscheid geködert, die fünf Jahre zuvor noch entschiedene Tunnelgegner waren. Die Grünen stellten damals die einzige Gemeinderatsfraktion, die 2002 und in der Folge konsequent auf der Seite der U-Strabgegner stand, doch zum heutigen Zeitpunkt empfinden sie den drohenden Rückzug der zugesagten Bundesmittel als ein Debakel: „Der Bundesrechnungshof hat das Fass von ganz unten aufgemacht und Dinge in Frage gestellt, die ganz am Anfang einer solchen Entscheidung stehen müssen, die die Karlsruher ja vor über zehn Jahren getroffen haben. Wenn dies jetzt nach Jahren des Bauens ein Torso bleibt, dann haben wir rund eine Milliarde Euro verbuddelt, einen Tunnel durch die Kaiserstraße gebaut, darüber fahren weiterhin Straßenbahnen und in der Kriegstraße lärmt der Durchgangsverkehr - das kann so keiner gewollt haben“, sagt Honné, der betont, dass man über den grünen Landesverkehrsminister und die für den Wahlkreis zuständige Bundestagsabgeordnete unterstützend alles versuche, eine Förderzusage des Bundesverkehrsministeriums zu erwirken.

„Nicht schockiert - dafür haben wir mit der Kombilösung schon zu viel erlebt -, aber wir sind von der Prüfmitteilung des Bundesrechnungshofs doch hart getroffen“, sagt Uwe Konrath, der 2009 die Leitung der Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft übernahm, die Planung, Bau und finanzielle Abwicklung des Riesenprojekts zu organisieren hat. Man habe Vorbehalte und im vergangenen Jahr bekannt gewordene Einwände nicht auf die leichte Schulter genommen, doch war man überzeugt, in den vergangenen Monaten die geforderten Nachweise erbracht zu haben. Als Argumente gelten noch immer dieselben Gesichtspunkte, die in der Antragsstellungsphase geprüft und als förderwürdig begutachtet wurden: „Es haben sich ja keine neuen Gesichtspunkte ergeben, warum und wie die Kombilösung die Verkehrssituation in Karlsruhe verbessert. Der Rechnungshof prüft die wirtschaftliche und rechtskonforme Verwendung der Mittel. Wir haben hier aber auch einen durch den Bürgerentscheid demokratisch legitimierten Beschluss, der freilich für den Rechnungshof nicht relevant ist. Letztendlich geht es daher jetzt aber um eine politische Entscheidung,“ so Konrath, der in seiner Position den Tunnelblick wahrt und von nichts anderem als der Weiterverfolgung des Kriegstraßenumbaus ausgeht. „Wir haben keinen Plan B. Eine schienenfreie Fußgängerzone ist für meinen Auftrag oberste Maxime, und wenn wir die Kriegstraße wieder zurückbauen müssten, was vor allem viel Planungsarbeit vernichten würde, müssten wir uns Alternativen überlegen, wie man das hinbekommen kann. Aber einen solchen Plan haben wir nicht.“

Dass die U-Strab gebaut würde und dann kein Geld mehr für den Kriegstraßenumbau übrig sei, das war die Befürchtung vieler Tunnel-Skeptiker, die nach dem Bürgerentscheid auf eine umgekehrte Baureihenfolge drangen. Alle Versprechungen, die von den U-Strab-Befürwortern um die Jahrtausendwende vollmundig gemacht wurden, sind längst pulverisiert: Die Kosten haben sich fast verdoppelt, das geplante Bauende 2016 liegt schon fast in der Vergangenheit und die Mär von den kaum wahrnehmbaren, weil unterirdischen Baustellen ohne Beeinträchtigung für Anwohner, Einzelhandel und Fußgänger sind einer der größten Scherze in der 300-jährigen Geschichte der inoffiziellen Baustellenhauptstadt Deutschlands. Und nun droht auch noch die angeblich so risikolose Finanzierung des Bauprojekts zu scheitern. Dass dabei ausgerechnet die Kriegstraße unter die Räder geraten soll, deren Umbau bei den Bürgern die deutlich breitere Akzeptanz genoss als die Mini-U-Bahn, erschwert es selbst den eingefleischtesten U-Strab-Gegnern, rechte Schadenfreude zu entfalten. Ein Scheitern zum jetzigen Zeitpunkt kann in Karlsruhe keiner mehr ernsthaft wollen. jf