Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 05.2015
Musik Klassik

 

Così fan tutte goes Syria

Es geht um Eifersucht, Treue und Krieg. Und um eine Wette. Wo, wenn nicht in einem Flüchtlingsheim herrscht solche Langeweile, dass man die Treue der Geliebten in derartigen Launen aufs Spiel setzt wie es Mozarts Così fan tutte vorführt, fragte sich Regisseur Bernd Schmitt und verlegte die Handlung der ein Jahr vor den Türkenkriegen geschriebenen Oper in ein Flüchtlingsheim. Auch weil Ehre und Treue in den Herkunftsländern vieler Flüchtlinge heute noch einen kulturell höheren Stellenwert haben als in der westlich-aufgeklärten Gegenwart.

Dass aus der ambitionierten freien Opernproduktion freilich ein weltweit medial beachtetes Friedensprojekt wurde, ist das Ergebnis von „vielen kleinen Zufällen und Wundern“, sagt die Stuttgarter Mezzosopranistin Cornelia Lanz, die die Furore machende Opernproduktion angestoßen hatte. Bei den Proben war das professionelle Opernteam in einem ehemaligen Kloster bei Tübingen gemeinsam mit syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen untergebracht. Schnell entwickelten sich neugierige Begegnungen, und über das gegenseitige Kennenlernen ergab sich der Wunsch, etwas gemeinsam zu tun.
Dabei waren zahlreiche kulturelle Missverständnisse zu überwinden. „Aber wir haben schnell gemerkt, das sind Menschen, die denken und fühlen wie wir, auch wenn die Frauen ein Kopftuch tragen“, sagt die Stuttgarter Sängerin. „Es war ganz klar die Musik von Mozart, die die Brücke geschlagen hat. Ich denke, dass dies eine große Kraft von Kunst sein kann, über die Kulturgrenzen hinweg verstanden zu werden.“
So integrierte der Regisseur einen Chor von 40 Bürgerkriegsflüchtlingen. Anstelle von Mozarts „Bella Vita Militar“ über das „schöne“ Militärleben singt der Flüchtlingschor als Botschafter für den Frieden aus dem Krieg auf der Bühne das syrische Lied „Janna Janna“. Mit diesem Paradieslied über die ehemals prächtigen, jetzt zerstörten Städte Syriens wurde "Così fan tutte“ zum Friedensprojekt.
Der fulminante Auftritt in der kürzlich mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten ZDF Satiresendung „Die Anstalt“ entwickelte sich zu einem Social-Media-Phänomen. In den vergangenen Monaten hat sich der Chor auf vielfältige Weise für die Integration von Flüchtlingen und den Brückenschlag zur einheimischen Bevölkerung engagiert – singend, auf Anti-Pegida-Demonstrationen in München und Stuttgart, bei Amnesty International, bei Außenminister Steinmeier im Jüdischen Museum Berlin. Zahlreiche Kontakte, praktische Hilfsinitiativen und Spendenbereitschaften wurden durch diese Präsenz angestoßen.
„Ich wurde durch dieses Projekt auch dazu gezwungen, meine eigene Identität zu hinterfragen. Nie zuvor hatte ich so sehr die Dankbarkeit empfunden, in so einem tollen Land und in Freiheit leben zu dürfen“, sagt Cornelia Lanz über den Auftritt im Deutschen Bundestag. Mittlerweile arbeitet sie an einem Nachfolgeprojekt, das zum Friedensfest Augsburg den Flüchtlingen noch größeren Spielraum geben soll. (Foto: Sebastian Marincolo)
> Do, 14. Mai 2015, Kulturzentrum Tollhaus, Karlsruhe, 19 Uhr

Tollhaus

Alter Schlachthof 35

76131 Karlsruhe

0721 / 964050

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