Klappeauf - Karlsruhe
Archiv: 04.2014
Musik Rund um Musik

 

Stress mit Jazz?

Das Verhältnis zwischen dem Karlsruher Jazzclub und seinem Wirt „Im Schlachthof“ scheint zerrüttet. Der Jazzclub sieht sich in seiner Arbeit und Weiterentwicklung behindert, die Geschäftsführung der Gaststätte sieht ihren Ruf geschädigt und fordert eine öffentliche Entschuldigung.

Ältere Jazzfans können sich noch gut daran erinnern: Bevor der Karlsruher Jazzclub 1985 im Jubez ein langjähriges Domizil fand, hatte er mit seiner „Minderheitenmusik“ in steter Auseinandersetzung mit den kommerziellen Interessen eines Wirtes zu kämpfen. Im Schnitt wechselte der Jazzclub in seinen ersten anderthalb Jahrzehnten alle zwei Jahre den Ort. Der Auszug aus der nicht nach wirtschaftlichen Aspekten funktionierenden Oase Jubez folgte nicht ganz freiwillig. Die Jazzer, unter denen sich damals zahlreiche Skeptiker gegen einen Umzug fanden, gaben dem sanften Druck der Stadt Karlsruhe nach, die den bundesweit renommierten Jazzclub 2007 als „Start-Up“ für den Kreativpark in die Schlachthofgaststätte lockte. Dort hatte der Club bereits um 1979 bis 1983 eine glanzvolle Zeit erlebt. Nun scheinen sich hier aber wieder kommerzielle und künstlerische Interessen in die Quere zu kommen.

„Die Arbeitsbedingungen für den Jazzclub werden immer aufwändiger und schwieriger“, sagt Enrik Berkhan, seit 2012 zweiter Vorsitzender des ehrenamtlich betriebenen Vereins, der nach wie vor zu den ersten Jazzadressen der Republik zählt. Hatte der Gaststättenbetrieb seit der Renovierung 2007 im weitgehend noch brach liegenden Kreativpark mühsame Durstjahre durchzustehen, so floriert in jüngster Zeit das Geschäft des Wirts. Und dies hat Auswirkungen auf die Jazzer: „Wir können unseren Künstlern gegenüber nicht professionell auftreten“, sagt Berkhan, der als Beispiel die Garderobensituation anführt. „Konnten wir in der Vergangenheit einen Nebenraum im Erdgeschoss als Rückzugsmöglichkeit anbieten, so sind die Künstlergarderoben im Obergeschoss nur durch die Schlachthof-Küche erreichbar.“ Es fehlt an Lagermöglichkeiten und einem Büroraum. Auch in der Termingestaltung sei der Jazzclub sehr abhängig und eingeschränkt: „Die sehr beliebte Jazz-für-Kinder-Reihe können wir mittlerweile im Schlachthof gar nicht mehr anbieten.“ Eine Perspektive sieht der Jazzclub in der Umwandlung der Schlachthofgaststätte in ein Kulturhaus, in dem die Kultur nicht von der Gastronomie abhängt, sondern umgekehrt die Bewirtschaftung der Kultur dient. „Nachdem zahlreiche Gespräche mit dem Pächter der Gaststätte keine Fortschritte gebracht haben, sind wir mit dieser Idee, für die wir möglichst viele Bündnispartner aus dem Kreativpark mit ins Boot holen wollen, an die Politiker der Stadt herangetreten“, so Berkhan.

Über dieses Vorgehen zeigt sich Bernd Gnann, einer der Gaststätten-Geschäftsführer, erbost. Erst durch eine Journalistenanfrage habe er von der Unzufriedenheit des Jazzclubs erfahren: „Wir wussten ja gar nichts von diesen Problemen, ehe wir den Brief des Jazzclubs an die Stadträte gesehen haben.“ Auch Gnann bestätigt, dass es durch den Erfolg der Gaststätte für den Jazzclub enger geworden sei: „Den Nebenraum haben wir früher freundschaftlich zur Verfügung gestellt, jetzt brauchen wir ihn halt für unsere Gäste.“ Aber den Vorwurf des „fehlenden Service bei Veranstaltungen“ will er nicht auf sich sitzen lassen. „Wir haben einen 20-Jahresvertrag und 300.000 Euro investiert. Natürlich sind wir froh, dass der Jazzclub bei uns drin ist, und wir wären ja blöd, Gäste nicht zu bedienen.“ Gemeinsam mit der Stadt will er prüfen, inwieweit bauliche Veränderungen am denkmalgeschützten Gebäude vorgenommen werden könnten, um etwa die Garderobensituation zu verbessern. Dazu erwartet er eine öffentliche Entschuldigung des Jazzclub-Vorstands, zumal dieser nicht mit offenen Karten gespielt habe.

Aus dem Nachhinein betrachtet sei es vor sieben Jahren vermutlich eine Fehlentscheidung des Jazzclubs gewesen, sich gutgläubig auf eine derartige Konstruktion als Untermieter einzulassen, sagt Enrik Berkhan. „Aus meiner Sicht müsste in Zukunft zumindest eine Kooperation auf Augenhöhe gegeben sein, und der Jazzclub nicht als geduldeter Juniorpartner behandelt werden, der im Zweifel den Interessen der Gastronomie weichen muss.“ Dass der Jazzclub von der Stadt Karlsruhe in dieser Situation nicht im Regen stehen gelassen werden darf, scheint selbstverständlich. Ist er doch nicht zuletzt aus Gefälligkeit ihr gegenüber heute in dieser Situation. Dass der Club, der in diesem Jahr 45 Jahre alt wird, für den Ruf der Stadt als Kulturstadt von großer Bedeutung ist, steht außer Frage. Die unterstrich zuletzt im vergangenen Herbst der von der Initiative Musik für sein "kulturell herausragendes Livemusik-Programm" vergebene Spielstättenpreis, auch wenn Jazz nach wie vor nicht jedermanns Geschmack sein mag.